Jeder Sportler kennt es, man liegt vor einem wichtigen Training oder einem Wettkampf wach. Die Gedanken kreisen, die Uhr tickt, und die Panik steigt. Eine schlaflose Nacht – ist das schon das Ende aller Hoffnungen? In der Sportwelt gilt Schlafmangel schnell als Katastrophe. Man hört, dass eine einzige schlechte Nacht die gesamte Vorbereitung zunichtemachen kann. Aber ist das wirklich so dramatisch?
Eine aktuelle, spannende Studie hat genau das untersucht. Die gute Nachricht vorweg: Es ist meistens weniger schlimm, als du denkst! Die Studie eines internationales Forscherteam wollte wissen, was eine Nacht ohne Schlaf mit der Leistung anstellt und ob eine einzige, erholsame Nacht danach alles wieder ins Lot bringen kann.
Die Probanden und das Experiment
- Die Teilnehmer: 26 männliche Triathleten und Radfahrer, die regelmäßig intensiv trainierten.
- Das Setup: Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen geteilt:
- Kontrollgruppe: Schlief wie gewohnt.
- Versuchsgruppe: Eine Nacht kompletter Schlafentzug, gefolgt von einer Nacht Erholungsschlaf.
- Die Tests: Es wurden umfangreiche subjektive (Stimmung, Müdigkeit) und objektive (Gehirnaktivität per EEG, Reaktionszeit, Radfahrleistung) Tests vor, nach dem Schlafentzug/Normalnacht und nach der Erholungsnacht durchgeführt.
Die Radfahrer absolvierten zwei zentrale Belastungstests, um ein umfassendes Bild zu erhalten:
- 40 Minuten submaximales Fahren: Ein Ausdauertest bei moderater Intensität (60% der VO2peak). Hier ging es vor allem darum, wie sich die Belastung anfühlt und wie lange man die Intensität aufrechterhalten könnte.
- 20 Minuten maximales Fahren: Ein harter Test, bei dem es darum ging, in 20 Minuten die maximal mögliche Leistung abzurufen.
- Die Ergebnisse: Subjektiv Katastrophe, objektiv okay
Die Erkenntnisse sind für jeden Sportler extrem wichtig, um die Panik bei Schlafmangel zu mindern.
1. Die psychologische Talfahrt (Subjektive Wahrnehmung)
Hier gab es deutliche Auswirkungen – aber nur in der Wahrnehmung:
- Gefühlte Belastung (RPE): Nach der Schlaflos-Nacht fühlte sich die submaximale Belastung signifikant anstrengender an. Die Zeit bis zur gefühlten Erschöpfung war deutlich verkürzt.
- Müdigkeit und Stimmung: Subjektive Müdigkeit, Schläfrigkeit und eine schlechtere Stimmung schnellten nach oben. Auch die intrinsische Motivation sank stark ab.
- Gehirnfunktion: Die Reaktionszeit im Vigilanztest verlängerte sich, die Fehler nahmen zu, und die Gehirnaktivität war beeinträchtigt.
FAZIT: Wer nicht schläft, fühlt sich groggy, hat schlechte Laune und empfindet Training als Qual.
2. Die physische Realität (Objektive Messungen)
Hier zeigte sich das große Wunder der Studie:
- Herzfrequenz & Laktat: Keine Gruppenunterschiede! Die physiologischen Messwerte (kardiovaskuläre Belastung, Stoffwechselaktivierung) wurden vom Schlafentzug nicht beeinflusst.
- 20-Minuten-Maximaltest (Kurzzeit-Leistung): Überraschenderweise gab es hier keine statistisch signifikanten Leistungsunterschiede! Die Fähigkeit, kurzzeitig maximale Power abzurufen, blieb weitgehend stabil.
- 40-Minuten-Submaximaltest (Langzeit-Leistung): Hier wurde die Leistung beeinträchtigt. Die submaximale Ausdauer litt, da die gefühlte Anstrengung (RPE) zu schnell stieg.
Abb. Schlafentzug im Vergleich zu normalem Schlaf an den Tagen 1, 2 und 3
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Offene Kreise = Schlafentzug an Tag 2. Schwarze Quadrate = normaler Schlaf.
Man beachte, wie die empfundene Anstrengung an Tag 2 ansteigt und der Wert für das Wohlbefinden bei den schlafentzogenen Athleten sinkt. Beide Werte normalisieren sich jedoch nach einer Nacht Erholungsschlaf (d. h. an Tag 3). Herzfrequenz und Laktatwerte werden hingegen durch den Schlafentzug nicht beeinflusst.
Die Rettung: Wie eine Nacht alles repariert!
Der wichtigste Takeaway der Studie ist die enorme Kraft der Erholung: Alle subjektiven und objektiven Müdigkeitsindikatoren (Stimmung, Reaktionszeit, Gehirnfunktion) normalisierten sich vollständig nach nur einer ungestörten Nacht Schlaf. Die Leistungsfähigkeit im 40-Minuten-Test kehrte nach dem Erholungsschlaf ebenfalls auf das Ausgangsniveau zurück.
Fazit für Training und Wettkampf:
1. Keine Panik vor der schlechten Nacht
Die Studie untersuchte den schlimmsten Fall: kompletten Schlafentzug. Ihre eine unruhige Nacht ist wahrscheinlich viel weniger schlimm. Die negativen Auswirkungen sind schnell reversibel.
2. Der mentale Kampf ist das größte Problem
Deine Leistung wird sich am Tag nach dem Schlafmangel extrem anstrengend anfühlen. Die größte Beeinträchtigung findet aber im Kopf statt (Motivation, Anstrengungsempfinden). Dein Körper (Herz, Laktat) funktioniert weitgehend normal.
3. Kurz & Knackig vs. Lang & Zäh
- Kurze, maximale Belastungen (z. B. ein Sprint, eine Krafteinheit) sind weniger stark betroffen.
- Lange, submaximale Ausdauerbelastungen (z. B. ein langer Lauf, die Mittelstrecke im Triathlon) sind stärker beeinträchtigt, weil sich die Anstrengung viel schneller unerträglich anfühlt.
4. Das Training zu verschieben ist kein Problem
Wenn eine schlaflose Nacht vor einer wichtigen Trainingseinheit liegt, ist es absolut in Ordnung, das Training um einen Tag zu verschieben. Eine Nacht guter Schlaf wird die negativen Effekte höchstwahrscheinlich komplett aufheben, ohne deinen langfristigen Trainingsplan zu gefährden.
Eine schlechte Nacht ist kein Weltuntergang, solange du dich bewusst um ausreichenden Schlaf in den folgenden Nächten bemühst!
*Quelle und Verweise: sportsperformancebulletin.com
- Eur J Appl Physiol. 2025 Jul 25. doi: 10.1007/s00421-025-05908-w. Online ahead of print.

