Ausdauersportler wissen, die Leistungsmaximierung erfordert die Optimierung vieler körperlicher Fähigkeiten. Immer härteres und längeres Training mag zwar die naheliegende Lösung sein, führt aber unweigerlich zu Verletzungen und Burnout. Wir brauchen einen differenzierteren und intelligenteren Ansatz mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Trainingsprogramm, das alle notwendigen Werkzeuge zur Leistungssteigerung nutzt, ohne die Nachteile eines harten Trainingsansatzes.
In diesem Artikel untersuchen wir neue Forschungsergebnisse, die sich mit der Frage befassen, ob die Ergänzung deines Trainingsprogramms durch schweres Krafttraining (d. h. mit einer Last, die 80 % oder mehr der maximalen Last beträgt, die Sie einmal heben können) die Ausdauerleistung wirklich verbessern kann.
In früheren Jahren bestand das Hauptziel des Ausdauertrainings darin, die maximale aerobe Kapazität zu erhöhen – technisch besser bekannt als „VO2max “. Der Grund dafür ist einfach: Bei Langstreckenläufen wird fast die gesamte Energie für die Muskelbewegung durch die Verbrennung von Kohlenhydraten (Glykogen) und Fett in Gegenwart von Sauerstoff gewonnen. Doch während der menschliche Körper viel Fett und eine ganze Menge Kohlenhydrate speichern kann, ist die Sauerstoffspeicherkapazität praktisch gleich null. Das bedeutet, dass die den trainierenden Muskeln zur Verfügung stehende Sauerstoffmenge von der Fähigkeit des Körpers abhängt, Sauerstoff aufzunehmen, zu transportieren und an die Muskeln abzugeben.
In den letzten etwa dreißig Jahren haben sich jedoch Hinweise darauf gehäuft, dass ein viel besserer Indikator (als VO2max) für die Erfolgstauglichkeit einer Person bei Ausdauerwettkämpfen der sogenannte „maximale Laktat-Steady-State“ – oder kurz MLSS – ist. Dieser Indikator gibt die maximale Arbeitsbelastung an, die der Körper aushalten kann, ohne dass sich (ermüdendes) Laktat im Blutkreislauf ansammelt. Vereinfacht ausgedrückt ist dies wie Ihre maximale Reisegeschwindigkeit, ohne dass Sie in die Defensive gehen und langsamer werden müssen! Obwohl dies ein trivialer Unterschied zu sein scheint, ist die Verwendung von MLSS unter realen Bedingungen relevanter, da Ausdauersportler typischerweise über lange Zeiträume maximale Leistung/Geschwindigkeit aufrechterhalten müssen. Dies bedeutet, dass die maximale Sauerstoffaufnahme weniger relevant wird als die maximal aufrechtzuerhaltende Leistungsabgabe.
Zu den weiteren Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, gehört die „Muskeleffizienz“. Sehr effizient arbeitende Muskeln können mehr Vortriebskraft erzeugen und benötigen dabei weniger Energie (und daher weniger Sauerstoff). Diese Art der internen Effizienz wird als „Muskelökonomie“ bezeichnet. Diese gibt an, wie effizient die Muskeln (hinsichtlich des Sauerstoffverbrauchs) bei der Krafterzeugung bei submaximalen Übungen (also nicht bei Volllast) sind. Je besser die Ökonomie Ihrer Muskeln während des Trainings ist, desto weniger Sauerstoff benötigen Sie, um sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortzubewegen. Weniger Sauerstoffverbrauch und weniger Energieverbrauch bedeuten zwangsläufig einen geringeren Abbau des Muskelglykogens (des besten Treibstoffs für das Training) und weniger Ermüdung, wodurch Sportler weiter und schneller laufen können als weniger effiziente Sportler.
Neuere Forschungen haben ergeben, dass auch die sogenannte „Belastbarkeit“ für eine gute Ausdauerleistung unerlässlich ist. Die Belastbarkeit eines Athleten ist ein Maß für seine Fähigkeit, während eines Rennens oder Wettkampfs robuste physiologische Funktionen (VO2max, MLSS und Ökonomie) aufrechtzuerhalten. Kurz gesagt; Athleten mit hoher Belastbarkeit neigen weniger zu Leistungseinbußen bei den oben beschriebenen Leistungselementen während einer längeren Trainingseinheit.
Studien zeigen, dass Krafttraining im Allgemeinen die Ausdauerleistung verbessern kann, insbesondere wenn es um die Verbesserung der Muskelökonomie geht. Aber wie sieht es mit intensivem Krafttraining für die Ausdauerleistung aus – d. h. Krafteinheiten mit Kniebeugen, Kreuzheben oder Beinpressen mit so schweren Gewichten, dass man nur wenige Wiederholungen schafft? Für Sportler wie Läufer und Radfahrer mag Krafttraining mit großen Gewichten kontraintuitiv erscheinen, da man befürchtet, dass schwere Gewichte sie massig und langsam machen könnten. (Spoiler-Alarm: Das ist nicht der Fall).
Bei schweren Gewichtseinheiten liegt der Schwerpunkt jedoch auf kurzen, hochintensiven Übungen – nicht auf hochvolumigem Krafttraining, das oft sehr ermüdend ist. Wenn schwere Gewichte die Leistung verbessern können, ohne das Ausdauertraining zu beeinträchtigen, könnte dies eine nützliche Win-Win-Lösung sein. Bislang ist jedoch umstritten, wie nützlich schweres Krafttraining für Ausdauersportler wirklich ist. Das liegt daran, dass in den Studien eine Vielzahl von Ausdauersportarten, Trainingsübungen und Trainingsbelastungen untersucht wurden, was zu großer Unsicherheit führt. Eine neue Studie zu diesem Thema wurde jedoch gerade veröffentlicht und bietet Sportlern und Trainern gleichermaßen deutlich mehr Klarheit.
Diese systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse (ein Studiendesign mit robustem Evidenzniveau) wurde im renommierten European Journal of Applied Physiology veröffentlicht und fasste alle bisherigen hochwertigen Studien zu schwerem Krafttraining zusammen, um festzustellen, wie es sich auf die wichtigsten physiologischen Faktoren auswirkt, die die Ausdauerleistung bestimmen. Insbesondere wollten sie herausfinden, ob schweres Heben über drei Wochen oder länger zu besseren Leistungen von Radfahrern führt und wenn ja, wie. Um dies festzustellen, konzentrierten sich die Forscher auf reale Ergebnisse wie die Zeit bis zur Erschöpfung (wie lange man mit einer bestimmten Intensität fahren kann, bevor man gezwungen ist, das Tempo zu drosseln) und die Leistung beim Zeitfahren. Diese Parameter wurden ausgewählt, um widerzuspiegeln, was für Radfahrer beim Training oder bei Rennen wichtig ist.
Insgesamt wurden 17 Studien mit 262 Radfahrern (202 Männer und 60 Frauen) durchgeführt, deren durchschnittlicher VO2max-Ausgangswert bei etwa 61 ml/kg/min lag (aerob fit, entspricht starkem Amateur- oder Semi-Profi-Niveau). Die Trainingsdauer in diesen 17 Studien betrug zwischen fünf und 25 Wochen, mit ein bis drei Trainingseinheiten pro Woche. Die eigentlichen Trainingseinheiten variierten, umfassten aber typischerweise 3–5 Sätze mit 4–10 Wiederholungen pro Übung, wobei der Schwerpunkt auf dem Unterkörper mit Kniebeugen, Beinpressen, Ausfallschritten, Wadenheben usw. lag. In Bezug auf die Leistungssteigerung waren die Ergebnisse wie folgt:
- Im Vergleich zu Radfahrern, die kein schweres Krafttraining absolvierten, verbesserte sich die Effizienz (Ökonomie) beim Radfahren um 0,353. Dies ist zwar eine kleine, aber bedeutsame Steigerung (siehe Abbildung 1). Im Klartext: Sie konnten die verbrannte Energie besser in Pedaltritte und Vorwärtsbewegung umwandeln (eine gute Sache, wie oben erklärt).
- Die anaerobe Leistungsfähigkeit nahm mit einer Effektstärke von 0,560 zu, was einer moderaten Verbesserung entspricht. Eine solche Verbesserung würde es einem Radfahrer ermöglichen, dank der höheren Explosivkraft schneller zu sprinten oder aus Kurven heraus zu beschleunigen.
- Die allgemeine Radfahrleistung nahm zu. Die Zeit bis zur Erschöpfung und die Zeitfahrleistung verbesserten sich mit einer Effektstärke von 0,46 (siehe Abbildung 2), was einer Verbesserung von 2 bis 5 % entspricht – enorm im Radrennsport!
- Es gab keine signifikanten Änderungen bei VO2max, MLSS oder anaerober Kapazität. Dies legt nahe, dass schweres Krafttraining den aeroben Motor oder die Schwelle eines Ausdauersportlers nicht aufladen kann, sondern stattdessen seine/ihre Fähigkeit verbessert, das zu nutzen, was er/sie bereits hat.
Interessanterweise schienen weder die Eigenschaften der Radfahrer selbst (wie Geschlecht, Gewicht, Größe, Können oder vorherige Krafterfahrung) noch die Gestaltung des Kraftprogramms (Anzahl der Wochen, Trainingseinheiten pro Woche, genaue Übungen) die Ergebnisse zu beeinflussen. Dies deutet darauf hin, dass intensives Krafttraining viele Vorteile bietet – egal ob Anfänger oder Veteran, Mann oder Frau.
Abbildung 1: Intensives Krafttraining und Effizienz (Ökonomie) beim Radfahren
XXX
Im „Forest Plot“ zeigen die schwarzen Quadrate die mittlere Effektstärke der einzelnen Studien an, und die Größe der schwarzen Quadrate spiegelt die Gewichtung bzw. Wichtigkeit der Studie wider. Die Raute repräsentiert die Effektstärke der kombinierten Studienergebnisse. Eine negative Effektstärke steht für einen positiven Effekt – d. h. weniger Sauerstoffbedarf für ein bestimmtes Tempo, was einer höheren Effizienz entspricht. Da die Raute vollständig links (negativ) von der Nulllinie liegt, zeigt dies, dass intensives Krafttraining den Sauerstoffbedarf reduziert und die Effizienz verbessert.
Abbildung 2: Intensives Krafttraining und Radfahrleistung
XXX
In diesem Forest-Plot entspricht alles rechts von der Nulllinie einer besseren Radfahrleistung (längere Zeit bis zur Erschöpfung und schnellere Zeitfahren). Wir können deutlich erkennen, dass fast alle Quadrate und die Raute, die alle Daten zusammen darstellen, auf einen deutlichen Leistungsgewinn hindeuten, wenn ein Radfahrprogramm durch intensives Krafttraining ergänzt wird.
Diese Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass ein intensives Krafttrainingsprogramm die Ausdauerleistung von Radfahrern tatsächlich steigert, unabhängig von der Art des durchgeführten Programms, seiner Dauer (solange es fünf Wochen oder länger dauert), der Trainingszusammensetzung oder den persönlichen Eigenschaften des Radfahrers. Da Studien die Leistungsvorteile von intensivem Krafttraining auch bei anderen Sportlern wie Läufern und Ruderern nachgewiesen haben, gibt es gute Gründe für die Annahme, dass es die Ausdauerleistung in einer Vielzahl von Ausdauersportarten verbessert.
Ein wenig Vorsicht ist geboten, denn diese Metaanalyse liefert zwar sehr belastbare Beweise, die darin enthaltenen Studien waren jedoch methodisch sehr unterschiedlich und teilweise klein. Daher kann man nicht behaupten, dass sie für jeden Sportler einen absolut hieb- und stichfesten Beweis liefern. Insgesamt kann man jedoch davon ausgehen, dass die Vorteile eines intensiven Krafttrainings für die meisten Sportler spürbar sind. Um es noch einmal zu wiederholen: Schwere Kraftübungen wie Kniebeugen entwickeln zwar nicht Ihre Ausdauer, verbessern aber die Übertragung Ihrer vorhandenen aeroben Kraft, was zu besseren Rennzeiten führt.
Wenn du als Ausdauersportler deine Leistung steigern möchtest und noch kein intensives Krafttraining absolvierst, würde ich an deiner Stelle dein wöchentliches Trainingsprogramm erweitern. Beginne mit nur einer Einheit pro Woche und steigere die Belastung schrittweise, bis du 80 % des 1-RM-Werts erreicht hast. Radfahrer und Läufer sollten sich mit Mehrgelenksübungen wie Kniebeugen, Ausfallschritten und Kreuzheben konzentrieren. Plane jedoch am Tag nach deiner Krafteinheit eine Ruhe- oder leichte Einheit ein.
*Quelle und Verweise: sportsperformancebulletin.com
- Med Sci Sportübung. 2001;33(12):2089–2097
- Med Sci Sportübung. 2005;37(10):1734–1740
- Eur J Appl Physiol. 2003;89(1):95–99
- J Sports Sci. 2018;36:613–29
- J Strength Cond Res. 2016;30:2361–8
- Sportmed. 2017;47:545–54
- Int J Sports Physiol Perform. 2018;13:57–64
- Eur J Appl Physiol. 2025 Jul 9. doi: 10.1007/s00421-025-05883-2. Online vor Drucklegung
- Med Sci Sportübung. 1. Juli 2025;57(7):1546-1558
- Front Physiol. 2020 Jul 21:11:888