Das Risiko, sich eine laufbedingte Verletzung RRI (Running-Relates Injury) zuzuziehen steigt, wenn man regelmäßig an Wettkämpfen teilnimmt. Daten zeigen, dass im Laufe eines Jahres bei schätzungsweise 56 % der Freizeitläufer RRIs der unteren Extremitäten auftreten. Einige Studien gehen davon aus, dass dieser Anteil sogar bis zu 80 % beträgt.
Da RRI's bei Läufern so häufig sind, ist es wichtig zu wissen, welche Faktoren das Risiko beeinflussen können. Es gibt eine Reihe vorgeschlagener kausaler Faktoren für RRIs bei Läufern, darunter eine plötzliche Steigerung des Trainingsvolumens oder der Intensität, ein Wechsel des Laufuntergrunds, die falsche Schuhwahl und biomechanische Ungleichgewichte bei den Läufern selbst. Vielen dieser Faktoren ist eine erhöhte Stoßbelastung gemeinsam, und die Forschung legt nahe, dass Stoßbelastungen tatsächlich ein Hauptfaktor für das RRI-Risiko sind.
So untersuchte beispielsweise eine Studie aus dem Jahr 2016, 240 Läufer über einen Zeitraum von zwei Jahren und berichtete, dass die Stoßbelastungen bei Läufern, die eine RRI erlitten, höher waren als bei nicht verletzten Läufern. Die Autoren empfahlen weiterhin, dass Interventionen zur Verringerung der Stoßbelastungen eine wirksame Strategie zur Verringerung von Verletzungen bei gefährdeten Läufern sein könnten. Im selben Jahr wurden in einer systematischen Überprüfung Daten aus 18 Studien zu diesem Thema zusammengefasst. Dabei wurde festgestellt, dass Läufer mit höheren Belastungen eher Verletzungen erleiden als solche mit niedrigeren, was auch logisch klingt.
Angesichts der soliden Belege für die Entstehung von RRI durch hohe Stoßbelastungen stellt sich die Frage, wie diese Belastung reduziert werden kann. Schuhe mit besserer Dämpfung, stoßdämpfende Einlegesohlen und Training auf weicheren Oberflächen sind mögliche Optionen. All diese Maßnahmen können jedoch den Gang des Läufers verändern, was möglicherweise neue Probleme mit sich bringt. Eine einfach umzusetzende Methode zur Reduzierung der Stoßkräfte ist die Erhöhung der Lauffrequenz (Schrittzahl pro Sekunde). Bei konstanter Geschwindigkeit reduziert eine erhöhte Trittfrequenz die Schrittlänge (Geschwindigkeit = Schrittlänge x Trittfrequenz). Kürzere Schrittlängen erfordern einen geringeren Vortrieb beim Abstoßen und erzeugen weniger Stoßkraft bei der Landung. Es überrascht daher nicht, dass eine Erhöhung der Trittfrequenz bei gleichbleibendem Tempo eine effektive Methode zur sofortigen Reduzierung der Stoßkraft und damit zur Verringerung des Verletzungsrisikos beim Laufen ist. Aus diesem Grund konzentrieren sich viele Sportverletzungsmediziner und -forscher verstärkt auf Maßnahmen zur Reduzierung der Stoß- und Belastungsrate als Form der Verletzungsprävention oder zur Unterstützung der Rückkehr zum Laufen nach einer Verletzung.
So weit, so gut. Allerdings ist die Annahme, eine höhere Schrittfrequenz bei konstanter Geschwindigkeit reduziere automatisch das RRI-Risiko, problematisch. Die meisten der bisherigen Studien zu Schrittfrequenz, Belastung und RRI wurden in kontrollierten Laborumgebungen mit motorisierten Laufbändern durchgeführt. Zwar führt das Laufen auf dem Laufband zu biomechanisch ähnlichen Laufmustern wie das normale Laufen im Freien, doch sind diese Muster nicht identisch, insbesondere was die zeitliche Abstimmung der verschiedenen Phasen des Laufstils betrifft.
Untersuchungen zeigen insbesondere, dass beim Laufen auf einem ebenen oder geneigten Laufband die Schrittfrequenz erhöht und die Stand- und Schwungdauer verkürzt ist als beim Laufen im Freien (siehe Abbildung 1). Außerdem treten beim Laufen im Freien bei Langstreckenläufen zwangsläufig erhebliche Schwankungen bei Tempo, Schrittfrequenz und/oder Schrittlänge auf, im Gegensatz zum konstanten Tempo, das beim Laufen auf einem Laufband erreicht wird.
Abbildung 1: Laufphasen (adaptiert von The Motion Mechanic)
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Beim Laufen auf dem Laufband ist die Dauer der mittleren Stand- und Schwungphase im Vergleich zum Laufen im Freien bei gleicher Geschwindigkeit verkürzt.
Um schlüssig zu bestätigen, dass eine erhöhte Trittfrequenz beim Laufen im Freien tatsächlich die Stoßbelastung verringern (und somit das RRI-Risiko reduzieren) kann, haben US-Forscher in einer kürzlich veröffentlichten Studie die Auswirkungen der Trittfrequenz auf Freizeit- und Amateurläufer untersucht, die Läufe im Freien durchführten. Die Wissenschaftler vermuteten, dass eine erhöhte Trittfrequenz die maximale Bodenreaktionskraft verringern würde.
Darüber hinaus wollten sie auch die Machbarkeit der Verwendung eines akustischen Metronoms als Stimulus zur Erhöhung der Trittfrequenz beim Laufen im Freien untersuchen. Untersuchungen zeigen, dass akustisches Feedback in Echtzeit zur Regulierung der Trittfrequenz am wirksamsten ist und dass die Verwendung eines Metronoms im Labor besonders effektiv ist. Daher testeten sie auch ein einfaches Feedback-Signal, das von einem tragbaren Gerät wie einer Uhr oder einem Smartphone im Freien bereitgestellt wurde.
Für diese Studie wurden 15 erwachsene Freizeitläuferinnen und -läufer rekrutiert, die durchschnittlich 24 Kilometer pro Woche liefen und keine aktuellen RRI's hatten. Die Teilnehmer absolvierten zwei separate Läufe über 3,8 Kilometer:
Basislauf – Lauf mit selbstgewähltem Tempo und Trittfrequenz; Das Metronom war für diesen Lauf ausgeschaltet, und die Trittfrequenz wurde nicht angegeben, um sicherzustellen, dass der Lauf mit der gewohnten Trittfrequenz absolviert wurde.
Trittfrequenzflauf – Lauf mit der gleichen Geschwindigkeit; aber mit einer um 10 % höheren Trittfrequenz als beim Basislauf, gesteuert durch einen hörbaren Metronomton der App „MetroTimer“, die auf einem iPod verwendet wird und als Trittfrequenzsignal dient.
Bei beiden Läufen wurden Loadsol-Einlegesohlensensoren beidseitig in die typischen Laufschuhe jedes Teilnehmers eingesetzt, um die Spitzenkraft in Newton (N) bei beiden Läufen zu messen und einen genauen Vergleich zu ermöglichen. Die gewählte Straßenstrecke war eine gerade Strecke ohne Kurven, mit minimalen Höhenunterschieden (weniger als 6 Meter) und geringem Verkehr. Die Laufdistanz von 3,8 Kilometern wurde gewählt, um einen Vergleich der ersten und zweiten Meile im Zeitverlauf zu ermöglichen und die Beschleunigung auf ein gleichmäßiges Tempo sowie die Gewöhnung an das akustische Metronom zu ermöglichen. Die tatsächlichen Laufkadenzen wurden sowohl von den Einlegesohlen als auch von einer GPS-Uhr aufgezeichnet, um Konsistenz und Genauigkeit zu gewährleisten.
Das erste Ergebnis war, dass der akustische Hinweis der Metronom-App die Trittfrequenz recht erfolgreich erhöhte. Im Durchschnitt steigerten die Läufer ihre Trittfrequenz beim Trittfrequenzlauf um 7,3 % im Vergleich zum Basislauf. Bedeutsamer war jedoch die Veränderung der maximalen Bodenreaktionskräfte (Aufprallkräfte) zwischen den beiden Läufen. Im Vergleich zum Basislauf mit den üblichen Trittfrequenzen der Läufer führte der Lauf mit erhöhter Trittfrequenz zu einem signifikanten Rückgang der maximalen Bodenreaktionskräfte um 5,6 % über beide Laufmeilen (Abbildung 2).
Abbildung 2: Ausgangswerte im Vergleich zu Spitzenbelastungskräften bei Lauf mit erhöhter Trittfrequenz
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Links = Basislauf mit normaler Trittfrequenz; rechts = Trittfrequenzlauf mit 7,3 % höherer Trittfrequenz. Schwarze Balken kennzeichnen Meile 1; graue Balken kennzeichnen Meile 2 in jedem Lauf.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Läufer dieser Studie ihre Schrittfrequenz um 10 % erhöhen sollten. Im Durchschnitt blieben sie jedoch etwas hinter ihrer bevorzugten Schrittfrequenz zurück, indem sie nur etwas über 7 % über ihrer bevorzugten Schrittfrequenz lagen. Dies deutet darauf hin, dass es zwar theoretisch einfach ist, die Schrittfrequenz bei gleichbleibender Geschwindigkeit zu erhöhen (d. h. durch Verringerung der Schrittlänge), aber das ist nicht ganz so einfach, wie es klingt! Trotzdem war die Erhöhung um 7,3 % ausreichend, um die maximale Aufprallkraft zwischen den Schrittfrequenzbedingungen sehr deutlich zu senken.
Diese Erkenntnisse (zur Verringerung der Aufprallkräfte) stehen im Einklang mit früheren Untersuchungen, die herausfanden, dass sowohl eine Erhöhung der Schrittfrequenz um 5 % als auch um 10 % die erforderliche Energieaufnahme im Knie um etwa 20 % bzw. 40 % senkte und bei einer Erhöhung der Schrittfrequenz um 10 % die in der Hüfte aufgenommene Energie (um 57 %) sank. Sie stimmen auch mit anderen Studien überein, die vergleichbare Vorteile für das und eine Verringerung der Gesamtbelastung des Fußes um 2,4–8,0 % (5,12) feststellten .
Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass eine Erhöhung der Schrittfrequenz bei Beibehaltung des normalen Trainingstempos eine effektive Möglichkeit ist, die Stoßkräfte beim Laufen im Freien zu verringern und so das RRI-Risiko zu senken. Dieser Ansatz kann beispielsweise bei der Rückkehr zum Laufen nach einer Verletzung oder einfach zum Einfügen einiger Läufe mit geringer Stoßbelastung in den Trainingsplan hilfreich sein. Die Verwendung tragbarer Technologie (Smartphone-Apps wie Strava usw.) mit einem hörbaren Metronom scheint Läufern dabei zu helfen, ihre erhöhte Schrittfrequenz zu erreichen. Diese Studie deutet jedoch darauf hin, dass möglicherweise etwas Übung erforderlich ist, um die Zielschrittfrequenz zu erreichen.
Bei der Schrittfrequenz galt bisher die Zahl 180 als Maß aller Dinge: Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge ist das die durchschnittliche Anzahl der Bodenberührungen pro Minute von Topathleten. Finnische Sportwissenschaftler hatten jedoch herausgefunden: Unter Topläufern ist 180 zwar ein realistischer Durchschnittswert, aber unter den Weltklasseathleten gibt es durchaus extreme Unterschiede. In der Marathon-Weltklasse reicht das Spektrum von 156 bis 187 Schritten pro Minute.
Eine Erhöhung der Schrittfrequenz um 10 % bedeutet, bei einer Schrittfrequenz von 130 nun etwa 143 Schritten pro Minute beizubehalten. Auf diesen Wert sollte das hörbare Metronom eingestellt werden. Wichtig ist jedoch, dass die Laufgeschwindigkeit bei einem Lauf mit erhöhter Schrittfrequenz NICHT erhöht, sondern auf dem gleichen Niveau wie beim normalen Schrittfrequenztraining gehalten wird. Dies führt zu einer leichten Verkürzung der Schrittlänge. Eine bloße Erhöhung der Schrittfrequenz ohne entsprechende Verkürzung der Schrittlänge kann die Aufprallkräfte sogar erhöhen – genau das Gegenteil von dem, was eigentlich erforderlich ist!
Um deine Frequenz gezielt zu verbessern, baue zwei- bis dreimal pro Woche ein einfaches Schrittfrequenz-Training in deinen Laufplan ein. Wärm dich dafür etwa zehn Minuten auf und laufe anschließend in deinem normalen, lockeren Tempo. Zähle dann eine Minute lang die Bodenkontakte deines rechten Fußes. Laufe eine weitere Minute ruhig weiter – und versuche dann, in der nächsten Minute die Zahl der Kontakte um zwei bis fünf zu erhöhen. Wiederhole diesen Wechsel noch viermal und steigere dich nur so weit, wie es sich entspannt und kontrolliert anfühlt. Ziel ist es, dass dein Körper sich mit der Zeit an die höhere Frequenz gewöhnt und du dauerhaft mit mehr Schritten pro Minute läufst. Auch Übungen aus dem Lauf-ABC, bei denen du gezielt mit hoher Frequenz arbeitest, unterstützen dich dabei.
Tipp: Rhythmische Musik ist eine unterhaltsame Möglichkeit, deine Schrittfrequenz zu verbessern. Es gibt spezielle BPM-Playlists (das sind Songs, die im Takt einer bestimmten Schrittfrequenz laufen). Gib einfach die gewünschte Frequenz (z. B. 170 BPM) in deiner Musik-App oder auf YouTube ein, setz die Kopfhörer auf und los geht’s!
*Quelle und Verweise: sportsperformancebulletin.com
- Br J Sports Med. 2007;41(8):469-480; Diskussion 480
- Br J Sports Med. 2016;50(14):887-892
- Br J Sports Med. 2016;50(8):450-457
- Med Sci Sportübung. 2011;43(2):296-302
- Med Sci Sportübung. 2014;46(3):557-564
- Sportgesundheit. 2013;6(3):210-217
- Sportmed. 2020;50(4):785-813
- Int J Sports Phys Ther. 2019;14(5):731-739
- J Strength Cond Res. 2014;28(5):1219-1225
- Int J Sports Phys Ther. Aug 2021; 16(4): 1076–1083
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