Ein Element des Lauftrainings, welches mit am meisten diskutiert wird, ist der lange Lauf. Wie lang, wie schnell? Dies zeigen auch immer wieder Fragen, die mich dazu erreichen. Letztens schrieb mir ein Greif-Club-Mitglied, der schon seine standardmäßige wöchentliche lange Runde in seinem Halbmarathon-Plan von 25 km auf 19 km hat herabsetzen lassen: "Wieso soll ich jede Woche fast einen HM laufen, wo dies doch mein eigentlicher Ziel ist. Davon erhole ich mich ja überhaupt nicht. Außerdem gibt es mein wöchentliches Zeitmanagement nicht her." Dazu muss man sagen, dass der Schreiber kein absoluter Lauf-Anfänger war.
Scheinbar haben sich die Grundlagen des Lauftrainings noch immer nicht überall herumgesprochen oder sind inzwischen schon wieder in Vergessenheit geraten. Der lange Lauf („Long Jog“) wurde mit dem Aufkommen der Jedermann-Marathonläufe in den 1960er Jahren vor allem von Dr. Ernst van Aaken und Arthur Lydiard propagiert und in der Laufszene populär gemacht.
Van Aaken zielte vor allem auf die Marathonläufer ab und sagte "wer 42 km laufen will, muss sehr oft 42 km gelaufen sein" und riet dazu, auch lange Läufe bis zu 80 km zu absolvieren. Der neuseeländische Trainer Arthur Lydiard sagte "jedermann kann 22 Meilen laufen". Dies sind genau 35 km. Diese ließ er seine komplette Trainingsgruppe, bestehend aus Mittel- und Langstrecklern, jeden Sonntag absolvieren. Die Erfolge (Olympiasiege) seiner Schützlinge gaben ihm Recht.
Inzwischen besteht kein Zweifel mehr daran, dass der lange Lauf für den Erfolg auf Strecken von 5 km bis zum Marathon unerlässlich ist.
Welche Auswirkungen hat nun der lange Lauf aus Trainingssicht?
Er dient langfristig dazu, die Anzahl der Mitochondrien sowie der Kapillaren in den aktiven Muskeln zu erhöhen und dadurch die Fähigkeit dieser Muskeln zu verbessern, den verfügbaren Sauerstoff zu nutzen (aerobe Kapazität). Es wird also vor allem das Sauerstoff-Aufnahmevermögen trainiert. Darüber hinaus werden auf lange Sicht Muskelfasern angesprochen, die sonst ungenutzt bleiben würden. Dies sichert einen größeren Pool an konditionierten Muskelfasern, die in den späteren Phasen des Rennens benötigt werden können. Es kommt langfristig zu Anpassungen des zentralen Nervensystems und zur Überwindung bestimmter psychologischer Barrieren. Gleichzeitig gibt es psychologische Anpassungen. Lange Läufe schaffen Vertrauen in deine Fähigkeit.
Wie lang sollte der lange Lauf nun sein?
Es gibt keine "perfekte" Distanz. Es ist aber kein Geheimnis, dass die lange Runde in den Greif-Marathon-Trainingsplänen seit vielen Jahren 35 km lang ist. In der heißen Phase der Wettkampf-Vorbereitung gibt es dazu in diesen Läufen noch eine Endbeschleunigung. Hierzu findest du bereits einige Artikel in unserem Newsletter-Archiv. Unter anderem Wie lang sollte die längste Runde sein oder 35 km Läufe auch für HM.
Auch wenn es immer noch Lauftreff-Jogger gibt, die darüber die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, laut aufheulen, Schmähgesänge veranstalten und es nicht wahrhaben wollen, die Realität sieht ganz anders aus und die Erfolge geben uns seit ca. 30 Jahren recht.
Ab 25 km befindest du dich grundsätzlich im Bereich des langen Laufes. Hier BEGINNEN die erwähnten physiologischen Veränderungen einzutreten. Bei 25 km geht es los, viele Anpassungen finden auch erst bei 30, 35 oder 40 km statt.
Aus der Welt der Elite-Läufer ist bekannt, dass einige japanische Läufer mehr als 5 Stunden laufen, wenn sie sich auf einen Marathon vorbereiten. Der frühere Weltrekordhalter Robert de Castella und Steve Monaghetti aus Australien erreichten 5 Wochen vor dem Marathon mit einem 48 km langen Lauf ihren Höhepunkt. Dies funktionierte aber nur, nachdem sie im Vorfeld fast jedes Wochenende konstant 35 bis 40 km gelaufen waren.
Der Marathon-Weltrekordhalter Eliud Kipchoge absolviert, wie wir im Newsletter gesehen haben, seine langen Läufe donnerstags und wechselt 30 km in einer Woche mit 40 km in der nächsten. Er absolviert bis zu 12 Wochen diesen 2-wöchigen Zyklus vor einem Marathon. Das bedeutet, dass er 6 Läufe von 40 km vor einem Marathon absolviert. Von Mo Farah wird ähnliches berichtet, der Höhepunkt von 40 km liegt 4-8 Wochen vor dem angestrebten Marathon. Wir hatte uns auch das Training von Kenenisa Bekele angesehen. Auch hier wechseln lange Läufe von ca. 32-36 km mit Läufen von 41-46 km ab.
Nun gut, in der Regel sind wir keine Profis und Elite-Läufer. Trotzdem können wir einiges lernen. Selbstverständlich ist auch der lange Lauf wie das gesamte Lauftraining eine körperliche Anpassung und dauert seine Zeit. Diese Zeit solltest du dir auch nehmen. Du wirst als Anfänger nicht sofort 35 km laufen können. So weisen wir z.B. auch immer darauf hin, dass die Greif-Trainingspläne keine Anfänger-Programme sind und einige Lauf-Erfahrung erfordern. Die Länge deines langen Laufes solltest du kontinuierlich steigern.
Natürlich wirst du auch mit einer Handvoll 30 km Läufen und mal einem 32er irgendwie einen Marathon überstehen. Ob du dir orthopädisch damit einen Gefallen tust, bleibt zu bezweifeln. Der Marathon bleibt 42,2 km lang und du versuchst ihn schneller zu laufen als im Training. Genau darin besteht die Gefahr der Überlastung. Oft wird auch als Gegen-Argument angeführt, dass langsamere Läufer ja stundenlang für die 35 km Trainingsläufe unterwegs wären. Nun, auch für den 7 min/km Läufer wird der Marathon nicht kürzer nur weil er langsamer läuft.
Solltest du deinen ersten Marathon absolviert haben und möchtest deine Zeiten langfristig immer weiter verbessern, wirst du auf Dauer nicht um den 35er herumkommen. Der lange Lauf von 35 km oder mehr ist aber nicht nur für Marathonläufer das Mittel der Wahl, die Lydiard zeigte. Aber auch für Mittelstreckler oder Langstreckler mit Hauptaugenmerk auf Strecken zwischen 3 km und HM.
Meine eigene Erfahrung hat dies gezeigt. Auch ich hatte mich in den 1980ern auf die 30 km eingeschossen und ich hing einige Zeit bei 34:00 min über 10 km fest. Erst als ich im Winter wöchentlich die 35 km Runde lief, explodierten meine Zeiten zwischen 1000 m und 10 km schlagartig. Ich lief diese 35er immer, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt gar keinen Marathon mehr laufen wollte.
Unser langjähriges Club-Mitglied Edgar Morschhäuser bestätigte mir dies seinerseits mit der von ihm gelaufenen 40 km-Runde. Nachdem er diese damals auf Anraten von Peter Greif in sein Training eingebaut hatte, ging leistungsmäßig so richtig die Post ab. Auch bei ihm nicht nur auf der Marathon-Distanz.
Diese 40 km bieten wir bei Interesse in unseren Trainingsplänen an. Derzeit haben wir 25 Club-Mitglieder, die davon Gebrauch machen und die Strecke regelmäßig laufen. Sicherlich muss man dabei sehr gut auf seinen Körper hören, die individuelle körperliche Konstutition, das restliche Training sowie sein gesamte Lebenssituation berücksichtigen, da sich Regenerationszeit nach solchen Läufen erhöht.
Wie lange dauert die Regeneration nach einem 35 km Trainingslauf?
Wenn du einiges an Lauf-Erfahrung mitbringst, wird die Regeneration 48-72 h dauern. Dies funktioniert unserer langjährigen Erfahrung nach sehr gut. So planen wir den langen Lauf am Samstag Morgen und haben am Montag Nachmittag die nächste Tempoeinheit im Plan. Das sind ca. 55 h Regeneration, wobei ein entspannter arbeitsfreier Sonntag da sehr hilfreich ist. Für die etwas älteren Läufer planen wir immer einen zusätzlichen Regenerationstag ein.
Was ich sagen will ist folgendes. Wenn deine Leistungsentwicklung als erfahrener Läufer stagniert, solltest du neben der Suche nach der "Wundereinheit" oder dem "Wundermittel" auch über die Verlängerung deiner langen Runde nachdenken. Ein nur um 5 km verlängerter wöchentlicher „Long Jog“ kann da schon Wunder wirken.
Das Tempo spielt am Anfang keine Rolle
Wenn du Anfänger bist, dann steigere dich langsam und kontinuierlich. Auch wenn du mal Marathon laufen möchtest, muss dies ja nicht in 3 Monaten sein! Je nachdem wie lange du am Stück laufen kannst, beginne einmal pro Woche 15 oder 20 km zu laufen. Jeweils nach ein paar Wochen oder Monaten steigerst du die Strecke um 2-3 km, solange bis du sie fest im Griff hast. Das Tempo spielt dabei überhaupt keine Rolle.
Wie beim gesamten Lauftraining gilt: bleibe locker und habe Spaß daran! Genieße den langen Lauf! Es ist doch herrlich, am Sonntagmorgen ganz früh 3 h bei guter Luft entspannt durch den Wald oder über Wiesen und Felder zu laufen.
Sorge auch beim langen Lauf für Abwechslung!
- Suche dir unterschiedliche Strecken oder Richtungen.
- Laufe flache Strecken und auch im profilierten/bergigen Gelände.
- Laufe auch mal progressiv, d.h. steigere das Tempo leicht und kontinuierlich innerhalb des Laufes (Stichwort "negativer Split").
- Baue eine Endbeschleunigung von wenigen km am Ende ein.
- Wechsele auch die Distanzen. So kannst du neben konstanten wöchentlichen 35 km auch einen zweiwöchigen Zyklus nutzen (siehe Kipchoge oder Bekele) und im Wechsel 32 km und 37 km oder 30 km und 40 km laufen.