Bist du eigentlich zu fett? Wahrscheinlich nicht, ich nehme einmal an, dass du eine ganz schlanke Langstreckenläufer(innen) Traumfigur hast. Aber das ist nicht bei allen aus unserer Szene so. Bei den Neuaufnahmen in den Greif-Club werden auch die Gewichtsdaten und der Abnahmewunsch mit abgefragt. 8 von 10 Personen möchten abnehmen.
Erstaunlich, nennt uns doch die Mehrzahl der Ausdauer-Outsider (neidisch) "Hungerharke", "Schmachthaken" oder "Krüppeltanne". Aber diese Leute kennen ja auch nicht unseren Maßstab. Und welcher ist das eigentlich? Body-Mass-Index? Nein, für uns absolut nicht anwendbar. Es gilt %-Körperfett. Und wie viel? Zu diesem Thema erhielt ich eine Anfrage von Arno Ströhle:
Hallo Peter, im Bezug auf den Fettanteil höre ich zur Zeit viele Meinungen. Ein guter ambitionierter Marathonläufer sollte ca. 6-7 % Fettanteil haben sagen die so genannten Profis. Ein ehemaliger Bielsieger sagte mir 10% wäre richtig. Ein Trainer und ehemaliger Olympiateilnehmer sagte, ich solle nicht unter 11% gehen, sonst hätte ich keine Kraft mehr. Nun weiß ich gar nicht mehr, wo ich mich ansiedeln soll.
Die "sogenannten Profis" haben Recht! Schon wer semiprofessionell trainiert - also normal arbeitet und dennoch 2-mal täglich läuft - kommt als Frau an 15 - 18% heran und als Mann in die Nähe von 6 - 8 % Fett. Bei dieser Betrachtungsweise wird natürlich ein hohes Ziel vorausgesetzt. Wer trotz dieses Ziels und sehr viel Training, diese Werte nicht schafft, lebt nicht in der dafür nötigen angepassten Askese.
Insgesamt sollte aber auch ein ambitionierter Langsteckenläufer nicht mehr als 10% Gesamtkörperfett mit sich herumtragen. Wie sich ein Gewichtsverlust auf eine Langsstrecken-Zeit auswirkt, kannst du selbst mit unserem Gewichts-Zeit-Rechner ermitteln. Gib deine bisherige Laufzeit ein und trage die kg ein, die du realistisch abnehmen kannst. Der Gewichts-Zeit-Rechner ermittelt blitzschnell deine mögliche Laufzeit.
Ein wahres Sinnbild für eine nicht angepasste Askese, ist eine unserer besten deutschen Langstreckenläuferinen (den Namen möchte ich hier nicht erwähnen, aber wer sich auskennt, wird schon wissen, wer gemeint ist). Ich möchte dieser überragenden Läuferin nicht zu nahe treten. Sie sieht gut aus und die Körperformen stimmen. Alles sitzt richtig gut proportioniert dort, wo wir Männer es gerne sehen. Nur leider sind das die Körperformen einer normalen schlanken jungen Frau und nicht die einer Weltklasse-Langstreckenläuferin. Die, die in der absoluten Elite vorne laufen, sind so dünn, dass man während des Laufens die Bauchmuskeln arbeiten sieht.
Ich stelle hier einmal eine Hypothese auf: Wenn diese Athletin so schlank wäre wie die Weltspitze der Frauen, würde sie bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen vorne um Medaillen mitlaufen können. Aber vielleicht ist sie zur Zeit auch schon figürlich der absoluten Leistungsspitze nahe gerückt und überrascht uns alle. Ich selbst habe sie lange nicht mehr laufen gesehen.
Wie immer, wenn ich etwas über das nötige Gewicht von Läufer(innen) schreibe, bekomme ich jetzt wieder böse, fast Hasspost. Ich würde der Magersucht Vorschub leisten und bin insgesamt so oder so unmenschlich. Das ich Letzteres bin, weiß seit Jahren jeder Interessierte. Dabei wird aber vergessen, dass nicht ich diese Forderungen aufstelle, sondern der Hoch-Leistungssport selbst.
Ich würde einen Teufel tun und schreiben, dass Frauen abnehmen sollten, wenn sie denn mit ihrer Normalfigur im internationalen Rahmen vorne mitlaufen könnten. Mir gefällt eine wohlproportionierte Läuferin wesentlich besser, als die sprichwörtliche magere "Marathonziege".
Meinen Kritikerinnen, besonders die mit der Hasspost, möchte ich doch bitten zu unterscheiden zwischen krankhafter Magersucht (Aneroxie nervosa) und dem Magersein von Hochleistungsläuferinnen (Aneroxia athletika). Bei der ersten Form ist das eine schwere Erkrankung, denn die Betroffene kann ihr Abnehmen nicht steuern und bedarf dringend medizinischer Hilfe. Bei der Form Athletika ist die Sportlerin in der Lage den Gewichtsverlust kontrolliert zu regulieren und kann auch nach Bedarf problemlos wieder zunehmen.
Ganz ungefährlich ist natürlich auch die Aneroxia athletika nicht. Wer es übertreibt, schädigt sich gesundheitlich. Bis 2001 trainierte ich noch Frauen auf hohem nationalen Niveau und dort gab ich als anzustrebende Norm 17% Gesamtkörperfettgehalt an (gemessen mit dem Kalipper). Natürlich sind die Weltspitzenläuferinnen noch deutlich magerer. Die Schlankste, die ich je aus diesem Leistungsbereich vermessen habe, war die mehrfache Siegerin des New York-Marathons, Grete Waitz mit 9,1%.
Erfahrungen zeigen aber auch, dass bei einem Fettanteil von unter 15% die Menstruation bei den Sportlerinnen ausfällt. Dies ist aber kein Problem, sie ist sofort wieder da, wenn die Frauen zunehmen.
Nun aber zurück zu den Herren des Fettgürtels. Besonders möchte ich auf diesen schon oben zitierten Satz eingehen: "Ein Trainer und ehemaliger Olympiateilnehmer sagte, ich solle nicht unter 11% gehen, sonst hätte ich keine Kraft mehr. Nun weiß ich gar nicht mehr, wo ich mich ansiedeln soll."
Dieser hier zitierte Trainer hat subjektiv mit seiner Aussage recht, denn er hat wahrscheinlich die Erfahrung gemacht, dass wenn er sich unter 11% runter gehungert hat, ihm die Kraft fehlt. Objektiv ist es aber so, dass die Kraftlosigkeit nicht von dem geringen Körperfettgehalt kommt, sondern vom Abnehmen. Ich werde einmal versuchen die Vorgänge im Körper an Hand eines Beispiels aufzuschlüsseln.
Ein Läufer 75 kg schwer mit 13% Gesamtkörperfett möchte auf 10% kommen. Dazu muss er 2,25 kg Körperfett verlieren. Ein kg davon ist etwa gleich 7000 kcal, also muss der Mann 16750 kcal weniger essen als sein Normalbedarf ist oder er muss mehr trainieren, um diese Kalorien zu verbrennen.
Wenn er täglich 4000 kcal zu sich nimmt, um seinen Grund- und Trainingsbedarf zu decken, wird er wohl anfangen jetzt nur noch 3500 kcal zu essen/trinken. Das sind 500 kcal weniger pro Tag als benötigt werden. Damit braucht er rund einen Monat, um in dem angestrebten Zielbereich zu sein. Was aber passiert in dieser Zeit in seinem Organismus?
Der Traum aller ist, dass die fehlenden Kalorien nun aus den Fettpolstern abgebaut werden. Leider ist das nicht so. Erst einmal wird er nach Training und Wettkampf seine Glykogenspeicher nicht mehr vollständig auffüllen können, weil einfach zu wenig Energie da ist. Bei täglichem Training spürt unser Mann spätestens nach 2 Tagen, dass seine Kräfte so langsam schwinden. Sein Organismus gibt nur noch unwillig Speicherenergie frei.
Die Folge sind Anpassung des Körpers an die neue Situation. Er schaltet vermehrt auf den Fettstoffwechsel um. Nun wird es noch schlimmer! Fett benötigt mehr Sauerstoff zur Verbrennung als Kohlenhydrate, die Aufnahmemöglichkeit von Sauerstoff ist aber limitiert. Das Resultat ist, dass der Abnehmende jetzt auch noch schneller oder tiefer atmen muss, um genügend Luft zu bekommen. Er wird bei schon relativ niedriger Belastung kurzatmig und fühlt sich von Tag zu Tag schlapper.
Nun kommt aber der erlösende Blick auf die Waage: Nach gut einer Woche schon ein kg weniger, aber das mit einem permanenten Gefühl der körperlichen Schwäche. Daraus schließt fast jeder: "Wenn ich weniger wiege, habe ich keine Kraft mehr! Wer nun aber trotz Schwächegefühl weiter durchhält, wird nach ca. 14 Tagen feststellen, dass die Kräfte wiederkehren. Es macht sich einerseits der Gewichtsverlust bemerkbar und anderseits schreiten die Anpassungsvorgänge im Körper weiter fort.
Wird die verminderte Energieaufnahme weiter fortgeführt und es werden die 10% Gesamtkörperfett (bei Männern!) unterschritten, wehrt sich der Organismus mit starken Hungerattacken, denen man kaum wiederstehen kann. Überraschenderweise schreitet der Gewichtsverlust aber weiter fort, wenn man diesen Attacken einmal nachgibt und sich vollständig satt ist. Man muss nur am nächsten Tag wieder sparsam mit den Kalorien umgehen.
Meine eigene Erfahrung zeigt, dass man es mit dieser Methode des moderaten Hungerns kaum schafft, die 10% Körperfett zu unterschreiten. Das geht nur, wenn man so hart und umfangreich trainiert, dass es schwer wird, die verbrauchte Energie wieder vollständig zu ersetzen.
Aber zurück zu dem Schwächegefühl unseres Protagonisten, dieser wird, wenn er die angestrebten 10% erreicht hat und wieder normal isst, keine Schwäche mehr spüren, denn nun werden alle Speicher wieder gefüllt sein. Im Gegenteil, die 2,25 kg Gewichtsverlust werden ihm beim Laufen Flügel verleihen.
Warum ich das so genau weiß? Mit dieser Methode habe ich jahrzehntelange Erfahrung. In meiner aktiven Zeit nahm ich in jedem Spätherbst 5 kg zu und holte sie im Februar mit der oben beschriebene Methode wieder herunter. Spätens Mitte März wog ich dann wieder die angestrebten 85 kg.
Psychologische Folgen hatte das bis heute. Ich hasse Crossläufe! Warum? Diese fanden in früheren Jahren auf Landesklasse- und nationalem Niveau immer von Februar - März statt und lagen damit genau im Zeitpunkt meiner Gewichtsverminderung. Ich ging regelmäßig in diese Wettkämpfe und war schon am Start so schlapp wie Ronaldo in der zweiten Halbzeit und wurde genauso regelmäßig von der Konkurrenz fürchterlich zersägt.
Ich redete mir dann ein, dass ich den Crosslauf nicht beherrsche. Heute weiß ich aber, dass es nur der willentlich herbei geführte Energiemangel war. Eigentlich hätte ich damals auch sagen können: "Wenn ich nicht mindestens 90 kg wiege, habe ich keine Kraft mehr!"