"Heute mache ich nur etwas für den Kreislauf." Hast du sicher schon einmal gehört. Der Glaube, dass das Kreislauftraining das Mittel zum Erfolg ist, ist hoch und weit verbreitet. Es ist das Mantra der Pulser-Fetischisten. Hauptsache, das Herz schlägt schnell, dann stellt sich der Trainingserfolg schon ein.
An dieser Stelle muss ich immer meinen alten Freund Otto bemühen. Der lief eine Stunde lang mit einem Durchschnittspuls von 125. Dann ging er für 30 min in die Sauna und heizte richtig ein. So kam sein Puls auch auf über 120 Schläge. Otto lächelte glücklich und schrieb in sein Trainingsbuch eine volle Einheit von 1,5 h.
"Mensch Otto, sagte ich zu ihm, lasse doch das Laufen ganz sein und setze dich eine ganze Stunde in die Sauna! Dann kannst du dir das Laufen doch ganz sparen, riet ich ihm ironisch." Otto schaute mich an, überlegte und antwortete dann: "Nee, das mach ich nicht, aber ich wechsele jetzt jeden Tag zwischen Laufen und Sauna. Das sind 7 Einheiten/Woche. Wenn ich das durchziehe, bist du im Frühjahr reif.
Es wurde nichts mit der Reife, aber an die Sauna glaubt Otto noch immer. Das Laufen hat er aber schon seit langen Jahren aufgegeben. "Das viele Training bringt ja doch nix!"
So simpel, wie er sich das vorstellte, ist die Sache mit dem Training nicht. Als Training gilt für uns nur das, was auch eine Muskelbelastung zu Folge hat. Bisher wussten wir sehr wenig darüber, wie es in der Muskulatur eigentlich zu den Anpasungen kommt. Prof. Dr. Uwe Tegtbur hat am 23.03.2009 eine neue Zusammenfassung mit dem Titel "Körperliches Training und zelluläre Anpassung des Muskels." veröffentlicht.
Mit Prof. Tegtbur arbeiteten wir in den 90-er Jahren im Rahmen seiner Promotion eng zusammen. In unseren Trainingsurlauben erleichterten wir die Teilnehmer um ihr Blut, um deren aktuelle Belastung zu überprüfen. Uwe ist selbst Läufer und er ist der Sportmedizin bis heute treu geblieben. Nach erfolgten Laborversuchen hat er weiter überlegt und auch an die trainingsmethodischen Auswirkungen gedacht.
Diese trainingsmethodischen Überlegungen möchte ich hier vorstellen. Den ganzen Artikel kannst du hier runterladen. Er ist natürlich sehr wissenschaftlich, aber wir haben ja in unserer Gemeinschaft genügend Leute, die auch damit etwas anfangen können:
Original Zusammenfassung von "Körperliches Training und zelluläre Anpasssung des Muskels": "Ausdauer bzw. Krafttraining induzieren in der Muskelzelle verschiedene Signalwege zur Proteinsynthese. Muskelfasern können die Struktur ihrer schweren Myosinketten in Abhängigkeit von Reiz und Immobilisation in beide Richtungen (I?IIA?IIX) anpassen.
Exzentrisches Krafttraining ist effektiv und führt zur Neubildung von Sarkomeren in Längsrichtung des Muskels. Die Wirkung erfolgt über die Regeneration der zerstörten Sarkomerstruktur.
Konzentrisches Krafttraining führt zur Muskelzellhypertrophie und induziert auch im hohen Alter noch die Proteinsynthese. Der durch Krafttraining aktivierte mTOR-Signalweg wird auch durch freie Aminosäuren stimuliert.
Die Anpassung an Ausdauertraining läuft über den Kalzium-Calcineurin-NFATc1-Signalweg. Die Anzahl der Kalziumtransienten, erhöht durch Kontraktionsfrequenz und Trainingsdauer, ist ein wichtiger Stimulus zur Entwicklung der Fasertyp-I-Muskeln. Daher sollte Ausdauertraining durch lange Belastungen von >30 min mit hoher Bewegungsfrequenz dominiert werden.
Muskuläre Aktivität, Zellstretch oder Sarkomerrisse können zur Teilung der Satellitenzellen führen. Die Satellitenzelle fusioniert mit der Muskelfaser, der neue Myonukleus wird Teil des Muskelkfasersynzitiums und fördert so die trainingsinduzierte Proteinsynthese.
Neue Erkenntnisse der intrazellulären Vorgänge geben Einblick in die direkten Effekte von körperlichem Training, Immobilisation bzw. Alterung auf die Muskelplastizität und körperliche Leistungsfähigkeit."
Nachfolgend unveränderte Auszüge aus der Arbeit:
"Effekte von Ausdauertraining
Ausdauertraining mit moderater Belastungsintensiät und längerer Dauer (>30min) führt zur stärkeren Entwicklung der Typ I Fasern (Abb. 2). Die Signaltransduktion für die Fast (Typ II)-to-Slow (Typ I) Transformation wird durch den Signalweg Calcium-Calcinneurin-NFATc1 (Nuclear factor of acitivated T-Cell) kontrolliert (Abb. 2) (19, 20).
Die Aktivierung hängt primär von der Anzahl der kurzen Calciumtransienten bei der elektromechanischen Kopplung in der Muskelzelle ab. Daher führt eine hohe Kontraktionsfrequenz und –dauer zur stärkeren Aktivierung des Calcineurin-NFATc1 Weges. Der Transkriptionsfaktor NFATc1 wird im Kern angereichert und induziert Gene des langsamen Fasertyps I (Abb 2). Calcineurin-Antagonisten könnten diese Anpassung nach Ausdauertraining hemmen (25).
Für die Trainingspraxis lässt sich ableiten, dass die Anzahl der Calciumtransienten, also die Anzahl der einzelnen Aktivierungen, von hoher Bedeutung für die Ausdaueranpassung sein kann. So erklärt sich z.B. die Trettechnik von Rennradsportlern, die im Grundlagenausdauertraining über mehrere Stunden mit sehr hohen Trittfrequenzen (>110/min), aber geringer Leistung fahren. Für das Fitnesstraining würde es bedeuten, dass die Bewegungsfrequenz z.B. auf dem Ruder-, Fahrradergometer oder auf dem Crosstrainer hoch sein soll, die Leistung dabei eher reduziert würde und die Belastung nicht erschöpfend sein sollte."
Kommentar Peter Greif: Vielleicht lässt sich mit dieser Untersuchung auch die Wirkung des intensiven Dauerlaufs erklären, den wir im Winter über 18 km in einem moderaten Tempo einsetzen. Schneller, aber nicht erschöpfender Lauf über eine lange Zeitdauer.
"Effekte von exzentrischen Belastungen
Schnelle Belastungen mit großem Bewegungsausmaß und Dehnung der Antagonisten bzw. exzentrisches (Muskeldehnung bei gleichzeitiger Kontraktion) Training führen zu einem hohen Zug am passiven Apparat (z.B. an Titin). Abb. 3 aus der Publikation von Yu et al. zeigt, wie eine hohe exzentrische Belastung (wiederholtes Treppabsteigen 15 mal 10 Etagen) Zerreissungen der Sarkomere induziert, dargestellt am a-Actinin, einem Protein der Z-Scheiben (38).
Nach 8 Tagen war der Reparatur- bzw. Anpassungsprozess weitgehend abgeschlossen. In der Modellzeichung zeigen Yu et al., dass als Folge der hohen Belastung neue Sarkomere in Längsrichtung aufgebaut werden. Zweck dieser Anpassung ist es, kommende exentrische Belastungen durch einen bereits "verlängerten" Muskel mit weniger Sarkomerverletzungen zu überstehen (Übersicht hierzu bei Toigo und Boutellier, 36).
Eine höhere Zahl längsangeordneter Sarkomere führt zu einer höheren Bewegungsgeschwindigkeit und Maximalkraft. Der mit den Rupturen der Z-Scheiben verbundene Muskelkater ist meist schon nach 3 Tagen verschwunden oder reduziert, die Regeneration und Superkompensation der Sarkomere nimmt dagegen mehr als 7 Tage in Anspruch. Diese Sarkomerverletzung tritt z.B. auch während der letzten Kilometer im Marathonlauf auf: Der M. vastus kann beim Auftritt/Landung nicht mehr ausreichend stabilisieren, die Sarkomere werden bei jedem Schritt überdehnt und reißen.
Für die Trainingspraxis: Nach einem Muskelkater-induzierenden Training sollte eine Woche vergehen, bevor wieder maximale Belastungen im Wettkampf durchgeführt werden. Zur optimalen Leistung ist eine komplett wiederhergestellte Muskulatur erforderlich. Außerdem ist es möglich, dass bei nicht komplett regenerierter Sarkomerstruktur leichter erneute Risse auftreten können, die als Muskelverletzung auch größere Faseranteile umfassen könnten. Nichtsteriodale Antiphlogistika sollten bei Muskelkater nicht eingenommen werden, weil es 1.) Hinweise auf eine Hemmung der Muskelregeneration gibt (24) und 2.) der Schmerz Ausdruck einer nichtintakten und nicht maximalbelastbaren Sarkomerstruktur ist."
Kommentar Peter Greif: Die beschriebene Sarkomerverletzung ist auch durch die danach auftretenden Muskelschmerzen (Muskelkater) eine biologische Bremse für unsere Trainingsintensität. Niemand hat Lust in der ersten Woche nach einem Marathon schon wieder schnell zu laufen. Wenn die aber überstanden ist, darf immer noch nicht mit einem belastenden Training begonnen werden. Mindestens 10 Tage Regeneration nach einem 42,2 km-Rennen sind eine heilige Pflicht eines jeden Läufers gegenüber seines Körpers.
Da aber die Muskeln es nicht allein sind, die wieder hergestellt werden müssen, kann eine solche Regeneration bis zu 6 Wochen dauern. Und jeder sollte genau in seinen Körper hineinhorchen, ob er schon wieder hohe Umfänge und Intensitäten verträgt.
"Proteinaufnahme und Training
Proteinzufuhr direkt nach einem Krafttraining, entweder als Casein oder Molke-Protein, führt zu einer positiven Proteinbalance im arbeitenden Muskel (Muskel nimmt mehr Protein auf, als er gleichzeitig abgibt). Die Zufuhr von Placebo führte dagegen zu einer negativen Proteinbalance, entsprechend einem Verlust von Aminosäuren aus der arbeitenden Muskulatur (35).
Auch der Zeitpunkt der Proteinaufnahme ist von Bedeutung. So führte die Gabe von Proteinen sofort im Anschluss nach einem Krafttraining während eines Trainingszeitraumes von 3 Monaten zu einer signifikant stärkeren Faserhypertrophie als die Zufuhr jeweils 2 Stunden nach jedem Training (11). Während eine erhöhte Zufuhr (von 0.8 auf 1.4 g/kg/KG/Tag) zu einer Verbesserung der positiven Proteinbalance nach Krafttraining führte, erbrachte eine weitere Steigerung auf 2.4 g/kgKG/Tag keine weitere Verbesserung der Muskelproteinbalance (33).
Für die Trainingspraxis lässt sich ableiten, dass eine Zufuhr von Proteinen sofort nach jeder Trainingsbelastung erfolgen sollte, oder schon während des Kraftttrainings. Die alleinige Zufuhr von Kohlenhydratgetränken z.B. nach längeren Ausdauerbelastungen ist für die Muskelregeneration nicht ausreichend. 10-20 gr an Proteinen sollten nach dem Training zugeführt werden, z.B. in Form von 0,3 l fettarmer (0,3-1,5%) Milch."
Es gibt Hinweise, dass Medikamente die Reizantwort auf Training hemmen bzw. die Atrophie fördern können. Corticosteroide können direkt die Muskelatrophie induzieren. Über die Hochregulation der Transkription von Ubiquitin kann die Proteolyse in der Muskelfaser gefördert werden (34).
Der Gebrauch von nichtsteroidalen-Aniphlogistika ist trotz zahlreicher Nebenwirkungen auch im Spitzensport weit verbreitet (9). Nicht nur zur Therapie, die Präparate kommen auch in der "Prävention!" zur Verhinderung des Muskelschmerzes sowie in der "Behandlung!" des Muskelkaters zum Einsatz.
Eine neue Studie hat den Einfluss von Indomethacin auf die Satellitenzellaktivierung untersucht (24). Ausdauertrainierte und Untrainierte erhielten vor und bis 8 Tage nach einem 36 km Lauf jeweils 100 mg Indomethacin. In Muskelbiopsien vor und bis zu 8 Tage nach dem Lauf wurden Marker der Satellitenzellen gemessen. Während die Läufer ohne Indomethacin-Einnahme Anstiege der Satellitenzellmarker um 27% nach dem 8. Tag zeigten, blieben die mit Indomethacin behandelten Läufer ohne Satellitenzellzahlanstieg, also ohne entsprechende Trainingsanpassung.
Diese "Nebenwirkung" von Indomethacin, möglicherweise auch von anderen nichtsteroidalen-Aniphlogistika, erklären Mackey et al. über die kompetetive Hemmung der Cyclooxygenase. Die Cyclooxygenase wirkt über die Konversion von Arachidonsäure zum Prostaglandin, welches als starker Vasodilatator die Mukeldurchblutung sowie die Myoblastenfusion fördert (22).
Die Hemmung der Cyclooxygenase 2-Wirkung verhindert dabei komplett den belastungsbedingten Anstieg von Prostaglandin E2 und reduziert so entsprechend den Blutfluss. Unterstützt werden die Befunde durch in vitro Untersuchungen. Die Gabe von COX2-Hemmern reduzierten die Stretch-induzierte Myoplastenproliferation (27). Die Einnahme nichtsteroidaler Antiphlogistika durch den Sportler sollte sowohl wegen möglicher gesundheitlicher Schädigungen z.B. der Niere als auch wegen möglicher negativer Effekte in der Trainingsanpassung nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen."
Kommentar Peter Greif: Mit den nichtsteroidalen-Aniphlogistika sind unter anderem die häufig bei Sportlern genutzten Medikamente Diclofenac, Ibuprofen und auch Aspirin angesprochen. Den vorausgehenden Untersuchungen nach, sollten wir die Hände von diesen Mitteln lassen, wenn wir den sportlichen Erfolg suchen.
"Fazit für die Praxis
Ausdauer bzw. Krafttraining induziert verschiedene Signalwege in der Muskelzelle. Muskelfasern können die Struktur ihrer schweren Myosinketten in Abhängigkeit von Reiz und Immobilisation in beide Richtungen (I <-> IIA <-> IIX) anpassen (Muskelplastitztät). Exzentrisches Krafttraining ist sehr effektiv und führt zur Neubildung von Sarkomeren in Längsrichtung des Muskels. Die Wirkung erfolgt über über die Reparatur (Dauer > 1 Woche) der zerstörten Sarkomerstruktur und geht mit Muskelkater einher. Konzentrisches Krafttraining führt zur Muskelzellhypertrophie und induziert auch im hohen Alter noch die Proteinsynthese. Der durch Kraftttraining aktivierte mTOR-Signalweg wird auch freie Aminosäuren stimuliert. Sofort nach einem Training sollten bis zu 20 g (Milch-)Eiweiße aufgenommen werden. Die Anpassung an Ausdauertraining läuft über den Calcium-Calcineurin-NFATc1-Signalweg. Die Anzahl der Calciumtransienten durch Kontraktionsfrequenz und Trainingsdauer (ist wichtiger Stimulus zur Entwicklung der Fasertyp I Muskeln. Daher sollte Ausdauertraining durch lange Belastungen > 30 min mit hoher Bewegungsfreqeunz domiert werden."
Den ganzen Text der Arbeit von Prof. Dr. Uwe Tegtbur mit allen Abbildungen findest du hier.