Eine lose Zusammenstellung der im Greif Club Magazin erschienen Artikel zu diesem Thema von Lauftrainer Peter Greif.

Knack die Bestzeit

Diese Frage stellen sich sicher alle Clubmitglieder, die sich auf die 42,2 km wagen. Sei es, um die schon 3 Jahre alte Bestzeit nun endlich zu "knacken", oder beim ersten Mal den schier unendlichen Respekt vor der langen Strecke zu überwinden. Schaffe ich es? Das ist immer die Frage. Im Training wird über Zeiten gegrübelt, der Zieleinlauf im Geiste geübt und der Händedruck und die Umarmung nach den siegreich überstandenen Strapazen fast körperlich gefühlt. Es wird kalkuliert, gerätselt, phantasiert und taktiert. Das wichtigste aber sind die Träume: "Vielleicht schaffe ich es sogar unter 3:30." - "Ich gehe erst mal ruhig an und wenn ich an unserem Bürohaus vorbeilaufe, dann lege ich eine richtige Kohle auf." - "Das Größte wäre es, wenn ich Holger Meier direkt vor Inges Augen bei km 40,9 überholen könnte." - "Wenn ich es gepackt habe, dann weiß ich, dass ich mehr kann, als das, was ich bisher gewagt habe."

Wie fange ich es an?

Die Frage ist nur, wie fange ich es an? Hilfe gibt meist der erfahrenere Laufpartner, der schon eineinhalbmal in Berlin lief und im nächsten Jahr sogar den New York Marathon in Angriff nehmen will. Bei der kostenlosen, aber oft etwas atemlosen, weil während des Trainings geführten Beratung, dreht es sich meist darum, was man nun im Rennen trinken soll, ob ein oder zwei Bananen bei km 35 sinnvoll sind und ob der Partner denn die geplante Laufzeit für erreichbar hält. Je nach Charakter und Wissen fällt die Lehrstunde fruchtbar oder furchtbar aus. Meist ist es Letzteres!

Gefährliche Kumpels!

Was ich in meinem Leben schon für einen blühenden Unsinn in Hinsicht auf einen Wettkampf gehört habe, könnte Bände füllen. Manches war so schlimm, dass ich Angst hatte, mir würde ein Ohr abfallen, so schmerzhaft war der Durchgang des Gesprochenen. Ohne Frage gibt es natürlich den Laufpartner, der durchaus mit ausgesprochenen fundierten und wertvollen Tipps aufwarten kann, nur den musst Du erst finden. Gefährlich, weil absolut selbstlos erscheinend, ist der besonders gute Kumpel, der stärker und erfahrener als Du, Dir Dein Vorhaben erleichtern will, indem er die gesamte Strecke mit Dir läuft. Dabei läuft Dir schon vor Dankbarkeit eine Gänsehaut über den Rücken, weil sich da einer für Dich opfern will. Diese Dankbarkeit ist auch gerechtfertigt, denn Dein Freund(in) will wirklich nur Dein Bestes. Nur bedenke: Er(Sie) gibt das Tempo vor und trifft die Entscheidungen, holt vorher Deine Startnummer, feuert Dich an, weiß was für Dichgut ist und ist besorgt um Dich wie eine Mutter. Auch wenn er Dich bei km 32 schon ziehen lassen muss, weil er in Anbetracht des für ihn zu erwartenden langsamen Tempo am Abend noch 6 Halbe getrunken hat, so wird er doch der sein, der Dir zu Deinem Erfolg verholfen hat. Laß das nicht zu! Dein Selbstwertgefühl wird immer eine kleine Beule haben, Du warst es nicht allein, der es geschafft hat, Hilfe von anderen war nötig. Du kannst dieses Gefühl zwar verdrängen, aber Dein Unterbewußtsein wird dieses kleine Manko immer wieder melden und das Glück des Erfolges trüben. Habe Vertrauen in Deine Leistungsfähigkeit, Du wirst es schaffen! Schon 100tausende vor Dir haben ängste und Zweifel gehabt, den Marathon nicht erfolgreich bestreiten zu können und haben es am Ende aber doch geschafft. Sie haben ihren inneren Schweinehund besiegt und sind gehobenen Hauptes in das Ziel gekommen. Ich bin sicher auch Du wirst es schaffen, ob Du nun bei Deinem "Jungfernmarathon" nur an das Ziel kommen willst oder schon eine Zeit unter 2:20 anstrebst. Mit den kommenden Zeilen werde ich versuchen, Dir den Weg etwas zu bereiten.

Dicke Bücher

Natürlich gibt es auch noch dicke Laufbücher, an die Du Dich wenden kannst. Da musst Du Dich dann durch 382 Seiten wühlen, um z.B. in den Rubriken: Ernährung, Training, Bekleidung, Wetter, Vorbereitung, Rennablauf, Taktik und Motivation die nötigen Dinge zusammenzusammeln. Wenn das Ende des Buches erreicht ist, dann hast Du meist die wesentlichen Dinge wieder vergessen und planst morgen doch noch mal den Laufkumpel zu fragen.

Aufgrund dieser bekannten Tatsachen und der Weiterentwicklung der Sportwissenschaft und -erfahrung habe ich mich entschlossen, eine Zusammenfassung der wesentlichen Dinge für die Greif Clubmitglieder rund um den Marathon zusammenzustellen, die Du auch in der Sporttasche mit Dir tragen kannst, um eine halbe Stunde vor dem Start noch schnell einmal nachzuschlagen, was jetzt sinnvollerweise zu tun wäre.

Klar sollte Dir sein, dass diese Zeilen nicht für den geschrieben sind, der sich keine Zeitgrenzen setzt und mit einem Strauß Tulpen auf dem Kopf und Holzschuhen an den Füßen die große Show abziehen will oder für den, der sich 30 km schont, um einen Imponierspurt in seiner Fankurve anzuziehen, der ihn auf dem letzten Teilstück in joggende Lethargie zwingt. Auch wenn Du die geplanten 42,2 km nur so "just for fun" ablaufen willst, dann sind die kommende Zeilen vielleicht nicht gerade das Richtige für Dich, aber lies ruhig weiter, möglicherweise überfällt Dich der Ehrgeiz doch noch. Es könnte natürlich der Gedanke aufkommen, dass ich nun so gar nichts von den Läufern(innen) halte, die aus den oben beschriebenen Gründen ihre 42,2 km bestreiten. Das ist beileibe nicht so, ich akzeptiere alle die, die sich auf die lange Strecke wagen und sie in irgendeiner Art und Weise schaffen wollen. Auch ich selbst bin schon so manchen Marathon nur so zum Spaß gelaufen.

Anfang der Vorbereitung

Wir fangen an mit Deiner Vorbereitung und dem Hinweis, dass die folgenden Zeilen für jemanden geschrieben sind, der täglich trainiert! Wenn das bei Dir nicht der Fall ist und Du regelmäßig einen oder mehrere Tage Pause in der Woche gewohnt bist, so musst Du diese unbedingt beibehalten, dass heißt Du kannst aus dieser Anweisung dann erst die regenerativen und dann die extensiven Tage streichen. Wenn im Folgenden von 10 - 15 km oder 15 - 25 km die Rede ist, so bedeutet das für Dich immer eine normale Einheit innerhalb dieses km-Bereiches. D.h., wenn da steht 10 - 15 km extensiver Dauerlauf und Du bist gewohnt 12 km zu laufen, dann renne diese Strecke auch im nachstehend beschriebenen Zeitraum:

11 Tage vorher

Wir gehen davon aus, dass Du Dich mittwochs 11 Tage vor dem geplanten Wettkampf befindest, gesund bist und bester Stimmung. An diesem Tag findet Dein letztes wirklich hartes Training statt. Du solltest versuchen, über 10 - 15 km Dein geplantes Renntempo zu laufen. Hierbei sollte Dir aber klar sein, dass Du dieses Tempo nur auf einem Terrain laufen kannst, welches auch dem des Wettkampfes entspricht. Das heißt, in der Regel auf einer ebenen Asphaltstrecke. Besser ist noch eine Kunststoffbahn oder bist Du Dir ganz sicher, dass Deine 15 km auch wirklich 15 km lang sind? (Die Bahn lügt nie! Siehe auch: Welches Tempo.....!)

Wenn Du nach diesem Trainingstag wieder daheim bist, machst Du in Deinem Geiste einen ganz großen dicken Strich. Jetzt zu diesem Zeitpunkt ist nämlich die harte Trainingsphase abgeschlossen. Leistungszugewinn ist nicht mehr erreichbar. Ab jetzt geht es nur noch um die Regeneration. Bedauerlich ist, dass viele Läufer(innen), die verletzt waren oder aus irgendwelchen Gründen nicht das geplante Training absolvieren konnten, versuchen, durch weitere harte Einheiten, Versäumtes aufzuholen. Das geht mit ganz großer Sicherheit daneben, Training kann man nicht nachholen!

Nicht nachholen!

Die große Kunst eines Marathonläufers ist in dieser Phase nun einmal die Regeneration, ohne dabei den Körper mit seinen Systemen "einschlafen" zu lassen. Am kommenden Donnerstag solltest Du also schon unbedingt sehr ruhig laufen. Auf Deiner Standardstrecke, die ja meist zwischen 10 und 20 km liegt, läufst Du die gewohnte Entfernung im regenerativen Tempo. Steht an diesem Tag gewöhnlich eine Pause in Deinem Trainingsplan, dann solltest Du diese natürlich ebenso machen, wie alle dort vorgeschriebenen Pausen!! Freitag läufst Du wieder Deine Standardstrecke im extensiven Tempo und legst 5 lockere Steigerungen über 150 m ein. Am folgenden Tag gehst Du noch einmal auf die "große Runde" und läufst diese 35 km Einheit ganz entspannt und ruhig durch, mache auf keinen Fall, wie in den Vorwochen, Tempo. Du solltest nur das Gefühl haben, dass Du die Strecke beherrscht und sie Dir keine Probleme bringt. Am Sonntag ist wieder eine regenerative Einheit zwischen 10 und 20 km dran. Montags übst Du über 5 x 1000 m das Renntempo. Versuche möglichst vom ersten Meter an Deine Marathonrenngeschwindigkeit zu finden. Laufe auf keinen Fall schneller! Zwischen den 1000ern machst Du wie gewohnt 1 km Trabpause. Dienstag gibt es wieder den gewohnten extensiven Standardlauf über 10 - 20 km. Am Mittwoch übst Du abermals Dein Renntempo, diesmal über 3 x 2000 m und 1000 m Trabpause. Auch hier paß auf, dass Du dich nicht von Deiner jetzt so langsam überschießenden Kraft treiben läßt!

Runter fahren

Von Donnerstag an fährst Du auch den Umfang runter, an diesem Tag stehen nur noch 8 - 13 km im extensiven Tempo an. Freitag nur noch 5 - 10 km. Auch am Sonnabend solltest Du nach einer Mahlzeit noch 1 - 2 km traben. Du hast vielleicht das Gefühl, dass Dir mehrere Tage Pause besser tun würden als diese, zwar nur geringe, aber doch Belastung. Dieses Gefühl ist subjektiv richtig, Du spürst durch das Pausieren Deine ausgeruhten Muskeln und die gefüllten Glykogenspeicher. Was Du nicht spürst, ist das "Abschlaffen" der Mitochondrien, der Energiefabriken in den Zellen. Schon 36 Stunden ohne Training führen zu einer meßbaren Verkleinerung (Schwächung) der Mitochondrien. Du musst also optimieren, so wenig trainieren, dass Deine Speicher sich füllen, aber so viel, dass Deine Mitochondrien nicht "einschlafen"!

Ein Fehler während der unmittelbaren Vorbereitung sind Saunagänge am Vorabend des Wettkampfs. Die Sauna stört das innere Gleichgewicht. Die Regel gilt: Unmittelbar vor und nach harten Belastungen keine Sauna!

Rund um die Ernährung und Saltin Diät

Ein oder zwei Bier am Abend vor dem Rennen schaden nichts, wenn es mehr wird, kann es Probleme geben. Desto wärmer der Renntag zu erwarten ist, desto vorsichtiger solltest Du mit dem Alkohol umgehen. Sonst bekommst Du Deine Strafe und die wird am Ende des Laufes mit jedem vorher getrunkenen Bier härter!

Das Essen am Abend vor dem Rennen sollte möglichst schlackenreich sein, damit Du morgens den Darm pünktlich entleeren kannst. Zu empfehlen ist: Vollkornbrot, Vollkornprodukte, Müsli, Gemüse, Salate, Obst, Trockenfrüchte und Nüsse. Deine geliebte Schokolade laß lieber weg, die kannst Du auch noch am nächsten Morgen essen.

Der Stein der Weisen

Der Stein der Weisen schien gefunden, als Anfang der siebziger Jahre der Ruf der Saltin-Diät auch an unsere Ohren drang. Der skandinavische Sportwissenschaftler Saltin hatte in einem bemerkenswerten Versuch festgestellt, dass sich das Glykogen in unserer Muskulatur auf 125% superkompensieren läßt.

Nun ist dieses Glykogen ein sehr wichtiger Faktor für einen Marathonläufer, denn es stellt als körpereigener Reservestoff für den Kohlehydratstoffwechsel einen limitieren Faktor im Wettkampf dar. Ohne ausreichend gefüllte Speicher dieser Art ist kein guter Marathon möglich. Wenn es denn wirklich gelänge, von diesem Glykogen 25% mehr als normal einzuspeichern, die Traumzeiten wären garantiert.

Es brach eine regelrechte Kohlehydrat-Hysterie aus. Im Geiste rannten wir Marathoner die unglaubliche persönliche Bestleistung im Auge die Zielgeraden runter. Die unmittelbare Folge für jeden 42,2 km Läufer, die bis heute zu spüren ist, waren die unvermeidlichen Nudelpartys.

Saltin Diät?

Wie sah denn nun diese Saltin-Diät aus? Der schwedische Wissenschaftler hatte bei seinem Versuch einer Anzahl Studenten 3 Tage nur fett- und eiweißhaltige Nahrung erlaubt. Während dieser Zeit führten diese ein Ausdauertraining durch. Weil keine Kohlehydrate zugeführt wurden, kam es dabei zu einer relativen Entleerung der Glykogenspeicher. Am 3. Tag dieses Verfahrens nun, mussten die Studenten einen sogenannten Erschöpfungslaufüber 10 km absolvieren, bei dem die letzten kümmerlichen Reste von Glykogen aus den Zellen gezogen wurden. Danach endlich durften sich die Versuchspersonen voll mit Kohlehydraten stopfen. 3 Tage lang wurden nun die leeren Speicher wieder aufgeladen und weil diese so ausgelaugt und das Angebot an Kohlehydrat hoch war, sollte es nun zu der beschriebenen Superkompensation auf 125% kommen. Saltin piekste in die Muskeln und fand tatsächlich viel mehr Glykogen als im Normalfall.

Aufschaukeln!

Das Verfahren geistert auch heute noch durch die Laufszene und hat jetzt schon so viele Namen, dass man meint, da wäre etwas Neues auf dem Markt. Bei der Berichterstattung zur diesjährigen Weltmeisterschaft ließ mich der Begriff "Schaukeldiät" aufhorchen, es war aber wiederum nichts weiter als das allbekannte Saltinverfahren.

Klare Sache also, ran an diese Diät, das war das Motto zu dieser Zeit. Aber, oh Hölle, ich glaube es war 1974, probierte ich zum ersten und zum letzten Mal Saltins Original aus. Die 3 Tage ohne ein Bissen Brot, nur mit Eiern, Schinken, Sahne, Käse, Wurst und Fleisch waren das absolute Fegefeuer. Ohne Training wäre ja alles auszuhalten gewesen, aber meine 20 täglichen km waren eine einzige Qual! Sinnbildlich brauchte ich Krücken, um mich auf Knien, Brustwarzen und Zahnfleisch langsam nach vorn zu schieben. Beim Erschöpfungslauf am dritten Tag überholte mich eine Schnecke, die ich anbettelte, mich doch mit zum Ziel zu nehmen, um den dort wartenden Brotkörben zu huldigen. Sie hustete mir was, und pfiff nur so an mir vorbei. Als ich später dann die erste Kohlehydratorgie hinter mich gebracht hatte, da ging es mir besser. Aber hatte ich auch noch was "drauf"? Mein Selbstvertrauen war schwer angeschlagen. Womit es wieder aufbauen? Zu einem harten Prüflauf war es zu spät, jetzt stand die Regeneration im Vordergrund. Es kam wie es kommen musste, der "Kopf" stimmte nicht, ich "vergurkte" den Marathon. Unzählige Sportler erlebten gleiches und schworen: Nie mehr Saltin-Diät. Bei einem großen Prozentsatz rebellierte der Magen-Darmtrakt, Saltins Spuren fanden sich übelriechend in Bereichen, die nicht dafür vorgesehen waren.

Geht es auch anders?

Danach machten wir uns im heimischen Verein Gedanken, wie es uns denn gelingen könnte, die Vorteile der Kohlehydrat- Superkompensation zu erhalten, ohne die unangenehmen Nebenwirkungen des Verfahrens in Kauf nehmen zu müssen. Wir ließen die Eiweiß-Fett-Tage völlig weg, fasteten am vierten Tag vor dem Wettkampf und rannten am Abend dieses Tages einen 10 km Tempolauf. Anschließend schaufelten wir je nach Gusto: Kartoffeln, Nudeln, Reis, Süßigkeiten, Obst, Gemüse, Müsli, Cornflakes, Zucker und Honig. Manche Tafel Schokolade wurde aus dem Stanniol geblättert und die Riegel gleichen Inhalts wurden gleich im Sechserpack verschlungen, weil einige partout nicht einsehen wollten, dass dort die Energie zum großen Teil als Fett vorliegt und nicht von den begehrten Kohlehydraten stammte. Wie auch immer, jetzt funktionierte die Sache. Die Marathons "saßen" und die Bestzeiten starben nur so dahin. überraschenderweise wendeten auch andere Gruppen und Vereine die modifizierte Saltin-Diät mit Erfolg an. Das gibt zu denken.

Da waren nur zwei Sachen, die mir zu denken gaben. Einmal war das der 10 km Tempolauf 4 Tage vor dem Wettkampf, der dort trainingsmethodisch überhaupt nicht hinpaßte. Der zweite Fall war die Sache mit den eigenen Bestzeiten. Ich lief 1984 zweimal 2:24, einmal mit modifizierter und einmal völlig ohne Diät. Das verstärkte den Verdacht, dass an der Sache eventuell doch nicht soviel dran sein könnte wie angenommen, denn auch andere aus dem Verein scherten sich einen Teufel um irgendwelche Diäten und liefen trotzdem im Verhältnis zu ihren "kurzen" Zeiten hervorragende Marathons. Dennoch blieben die meisten von uns - meine Person eingeschlossen - bis in die nahe Zukunft bei dem modifizierten Saltinverfahren. Es gehörte einfach zum Ritual.

1990 hatte ich dann erstmals Gelegenheit mit Sportwissenschaftlern der ehemaligen DDR zu sprechen. Diese teilten mit, dass man dort schon lange wisse, dass die Saltin-Diät in ihrer ursprünglichen Form gar nicht angewendet werden muss, um zu gleichen Ergebnissen zu kommen. Es ist nicht nötig, 3 Tage lang nur Eiweiß oder Fett zu essen oder auch zu fasten. Es bringt auch nicht viel - sondern schadet unter Umständen sogar - einen 10 km Erschöpfungslauf 4 Tage vor dem Wettkampf zu rennen. Wichtig ist nur, dass in den letzten 3 Tagen vor den 42,2 km - den Wettkampftag nicht mitgerechnet - mindestens 65% der Nahrung aus Kohlehydraten besteht. Auch dann kommt es, und das hatten die Ostdeutschen direkt im Muskel genau gemessen, zu einer ebenso hohen Superkompensation, wie bei der Original Saltin-Diät. Ein anwesender britischer Nationaltrainer aus dem Langstreckenbereich bestätigte diese Erfahrung, die sich auch mit der eigenen deckte.

Auch Fett?

In der neusten Literatur wird nun berichtet, dass dem Fett im Marathonwettkampf wahrscheinlich eine entscheidenere Rolle zukommt als angenommen, denn man fand bei Untersuchungen in Muskelzellen feine Fettröpfchen, die nach einer langen Belastung nicht mehr dort waren. So scheint es unter Umständen gar nicht so gut zu sein, in den letzten Tagen der Vorbereitung völlig auf Fett in der Ernährung zu verzichten. Ohne Frage bedeutet dieses Ergebnis nicht, dass wir weniger Kohlehydrate zu uns nehmen sollten. Die Forderung, dass 65% der täglichen Kalorien aus Kohlehydraten bestehen sollten, bleibt gültig. Aber vielleicht brauchen wir durch diese Erkenntnisse kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, wenn unsere Teller einige Tage vor dem Marathon nicht gerade durch völlige Fettfreiheit glänzen. Ich warne aber unbedingt davor, jetzt nachlässig mit den Fettanteilen in der Nahrung umzugehen. Die versteckten Fette in unserem Essen reichen in der Regel schon aus, um den vorhandenen Bedarf zu decken.

Was ist die Quintizenz?

Was können wir nun aus diesen Untersuchungen lernen? Eigentlich nur eins, wir sollten uns am Anfang der letzten Vorbereitungswoche noch keinen großen "Kopf" über unsere Nahrungsmittelzusammensetzung machen. Die gewohnte Mischung kann beibehalten werden. Wenn der Wettkampf z.B. am Sonntag ist, dann sollten wir ab Mittwoch übermäßig Fett und Eiweiß meiden. Es ist nämlich sehr, sehr schwer, auf einen Anteil von 65% Kohlenhydrate in der täglichen Nahrung zu kommen. Am leichtesten geht es meiner Erfahrung nach mit Säften. Diese sind in der Regel naturrein (Nektare enthalten hingegen bis zu 45% Wasser) und beinhalten ca. 120 g reine Kohlenhydrate in Form von natürlichem Zucker. Wer vor jeder Mahlzeit einen halben Liter Orangen-, Apfel-, oder Traubensaft trinkt, hat schon keinen großen Appetit mehr auf fette Sachen. Wenn man nun während der Hauptmahlzeit noch dafür sorgt, dass ihr größter Anteil aus gekochten oder gebackenen Kartoffeln (Pommes frittes und Bratkartoffeln sind Sünde), Nudeln, Reis, Korn- oder Mehlspeisen besteht, dazu eine große Portion Gemüse serviert, dann ist das schon die "halbe Miete". Wer dazu auch noch in der Lage ist, seinen Hunger auf Süßes nicht mit Schokolade sondern mit diversen Obstsorten - eine Banane wirkt Wunder - zu stillen, der kommt der Bestzeit schon näher. Wem es dazu noch gelingt beim Frühstück die Butter oder Margarine nicht zentimeterweise aufzulegen und statt Vollfett- Halbfettkäse ißt, dem kann der persönliche Rekord schon gar nicht mehr genommen werden. Und wenn dann immer noch jemand übrigbleibt, der einen "Gieper" auf Süßes hat, der bekommt einen dicken Löffel Honig und ein paar Rosinen hinterher. Dann ist auch der letzte abgefüllt und platzt fast vor Glykogen.

Warnung

Zwei Warnungen: Kohlehydratmast bedeutet nicht übermäßiges Stopfen dieser Nahrungsmittel, sondern eine Ernährung, die einen möglichst großen Anteil von Zucker und Stärke enthält. Übermäßiger Genuß macht dick! 2. Dieses Verfahren muss am Wettkampfvorabend abgeschlossen sein, wer versucht am Renntag weiter zu machen, wird sein blaues Wunder erleben, dann geht die Diät im wahrsten Sinne des Wortes in die Laufhose. Am Wettkampftag gilt: Nur gewohnte Nahrungsmittel, letzte Mahlzeit mindestens 2 Stunden, besser 3 Stunden, vor dem Wettkampf, nur mäßig satt essen, schlackenarm, "gesund" heute vergessen, nicht verführen lassen vom Frühstücksbüffet und immer daran denken: Bestzeiten kann man sich zwar antrainieren, aber trotz allem nicht anfressen.

Getränke

Wenn Du alle technischen Unsicherheiten beseitigt hast, dann kommen wir zu einem wichtigen Punkt der Wasserversorgung vor und im dem Rennen. Über keinen Punkt wird so gestritten, wie über diesen. Dieser Streit kann auch nicht begraben werden, weil es für unterschiedliche Leistungsstärke völlig unterschiedliche Vorgehensweisen gibt. Klar ist eins: Wir brauchen unbedingt zusätzliches Wasser im Rennen, denn mit dem, was wir uns vorher einspeichern können, ist ein Marathonwettkampf nicht zu bestreiten. Obwohl es natürlich sehr sinnvoll ist in den letzten 2 Tagen vor dem Wettkampf wesentlich mehr zu trinken, als unser Körper durch Durst fordert. Es wird von Spitzenmarathonern berichtet, die sich nachts den Weckerstellten, um noch einmal einen halben Liter Mineralwasser zu schlucken, um ja sicher zu stellen, dass der Körper gut hydriert war. Dieses Verfahren scheint mir etwas übertrieben, gehört aber sicherlich zum nötigen Ritual der Vorbereitung.

Immer rein damit...

Natürlich könnte man auch denken: "Was soll ich vor dem Lauf trinken, im Rennen gibt es doch genug!" Die Einstellung ist fatal, denn jede Getränkeaufnahme während des Wettkampfsstört den Rhythmus und birgt die Gefahr des Sturzes, an den meist im wahrsten Sinne des Wortes überlaufenen Wasserstellen, in sich. Außerdem sind die nötigen Mengen nur im Stehen zu trinken, während des Laufs ist es nicht möglich, relevante Mengen zu sich zu nehmen. Die Getränkeaufnahme, die von den Spitzenläufern praktiziert wird, hat mehr eine Alibifunktion des Mundspülens und dient kaum der Flüssigkeitsaufnahme. Sehr gefährlich ist es zu glauben, dass der Körper sich mit Durst schon melden werde, wenn eine Getränkeaufnahme nötig ist.

Wenn Du Durst hast, ist es aus!

Wenn Du in einem Marathon einmal Durst verspürst, dann kannst Du unter dieses Rennen einen Strich machen, es wird eines Deiner schlechteren gewesen sein. Schon der Verlust von 2% Körperflüssigkeit führt zu deutlichen Leistungsabfällen! Mit zunehmenden Temperaturen wird das ausreichende Trinken vor und im Wettkampf natürlich immer wichtiger. Man kann bei entsprechend extremen Bedingungen geradezu ungeheuere Mengen von Wasser verlieren. Wie weit so etwas gehen kann, erlebte ich beim "Swiss Alpin" 1989. Bei diesem Hochgebirgslauf über 67 km war es sehr warm und die Luft war trocken. Ich trank vor dem Start einen ganzen Liter Flüssigkeit und an jeder möglichen Verpflegungstelle mindestens eine halben Liter, mehr konnte ich beim besten Willen nicht hereinbekommen. Dennoch wurde ich schon früh von Krämpfen geplagt und hatte im Ziel einen Gewichtsverlust von 3,5 kg vorzuweisen. Es scheint also so zu sein, dass Läufer mit meiner Figur (87 kg) unter diesen extremen Bedingungen gar nicht so viel Flüssigkeit aufnehmen können, wie nötig wäre. Beim Marathon herrschen zwar andere Bedingungen, aber ohne ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt läuft auch da nichts! Darum scheue Dich nicht: Rein mit den Getränken, ein zuviel ist bei Temperaturen oberhalb von 20 Grad kaum möglich!

Was soll ich trinken?

Zu klären ist da zu allererst die Frage: Was soll ich trinken? Wasser oder ein leicht gesüßtes Getränk? Ich kann aus Erfahrung sicher sagen, dass für einen Läufer, der unter 2:45 rennt, Wasser das beste Vorwettkampfgetränk ist. Bei Frauen gilt mit 15 Minuten Zuschlag das gleiche. Zwischen 2:45 und 3:15 kann es einmal angebracht sein, Wasser zu trinken und ein anderes Mal besser sein ein leicht gesüßtes Getränk zu sich zu nehmen. Am bekömmlichsten erscheint mir Apfelsaft 1:1 verdünnt mit Mineralwasser, das ist aber eine rein subjektive Betrachtungsweise. Alle anderen gesüßten Getränke gehen auch, wenn sie nicht mehr als 7-8% Zucker enthalten, also isotonisch sind. Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint es immer angebrachter zu sein, zu den gesüßten Getränken zu greifen. In der letzten Zeit hat es einige wissenschaftliche Arbeiten gegeben, die sich mit diesem Thema beschäftigten und meist dazu tendierten den Athleten(innen) die süßen Sachen zu empfehlen. Warum? Die zuckerhaltigen Getränke enthalten Kohlenhydrate, die wir im Rennen bitter nötig haben, um möglichst schnell an das Ziel zu kommen. 1 Liter eines solchen Getränks enthält ca. 70 g Kohlenhydrate und das ist bei einer Gesamtmenge, des als Glykogen gespeicherten körpereigenen Kohlenhydrats von 300 - 500 g schon eine ganze Menge. Wenn wir also vorher süß trinken, dann werden unsere Energievorräte gestreckt.

Kommt nicht an.....!

Warum nun aber soll das nicht für alle gelten? Das hängt mit unserer Fähigkeit zur Sauerstoffaufnahme zusammen! Diesen Sauerstoff brauchen wir, um die Kohlenhydrate in Energie umzusetzen. Die Menge der produzierten Energie ist beim Marathonlauf von der möglichen Sauerstoffaufnahme abhängig. Jeder Mensch hat eine größtmögliche (maximale) Sauerstoffaufnahmefähigkeit, die er nicht überschreiten kann. Von dieser maximalen Aufnahmefähigkeit kann der Läufer aber nur eine gewisse Menge für seine Arbeit in der Laufmuskulatur abzweigen, die anderen Muskeln und Systeme, z.B. das Gehirn und die inneren Organe benötigen auch ihren Anteil. Wenn es auch so ist, dass bei hohen läuferischen Belastungen - und Marathon ist eine sehr hohe Belastung - die inneren Organe und insbesondere die Verdauung bei der Blut- und Sauerstoffversorgung auf Sparflamme gesetzt werden. Je besser aber nun ein Läufer trainiert ist, desto mehr seiner maximalen Sauerstoffaufnahme kann er für die arbeitende Muskulatur nutzen. Hochtrainierte Ausdauerspezialisten setzen bis zu 90% ihrer Fähigkeiten in diesem Bereich während eines 42,2 km Rennens ein, der weniger Trainierte nutzt hingegen nur ca. 65% seiner maximalen Sauerstoffaufnahmemöglichkeit für den Lauf. Das heißt mit anderen Worten aber auch, dass der etwas langsamere Läufer noch Sauerstoff zur Verfügung hat, um z.B. Verdauungsarbeit zu verrichten, denn auch für die Verdauungsvorgänge ist Sauerstoff nötig, dieser wird durch das Blut dorthin transportiert, wo er benötigt wird. Wenn aber, wie bei den Hochtrainierten, jedes bißchen, nicht zum überleben nötige Blut in der Laufmuskulatur steckt, dann bleibt für die Verdauung nichts mehr übrig. Anders bei den weniger schnellen Läufern(innen) hier können noch diverse Anteile des Bluts in den Magen- und Darmtrakt geschickt werden, um zum Beispiel das gesüßte Getränk dort zu transportieren und zu verdauen. Bei denen, die immer früher im Ziel sind, ist das nicht möglich, dort liegt solch ein Getränk als schädlicher Ballast im Bauch und Magenprobleme. Diese Probleme erinnern Dich immer an das Gefühl des Luftmangels, welches Du hast, wenn Du nach einer Mahlzeit trainierst. Wobei ich nicht bestreiten möchte, dass es auch sehr schnelle Läufer(innen) gibt die gesüßte isotonische Getränke hervorragend vertragen. Hier gilt wie immer probieren geht über studieren. Wir haben hier in Seesen sehr viel mit Getränken experimentiert, aber leider nur bei Läufern mit einer Zeit um 2:30 und kamen immer wieder zum Wasser zurück.

Radfahrer können

Du wirst jetzt sicher auch verstehen, warum z. B. Radrennfahrer während des Rennens essen und trinken können. Der Anteil der arbeitenden Muskulatur ist beim Radfahren im Gegensatz zum Laufen wesentlich kleiner, es werden somit auch weniger Anteile der maximalen Sauerstoffaufnahme genutzt. Somit ist noch Blut und Sauerstoff zur Verdauung übrig. Auch Langtriathleten und Ultraläufer sollten auf gesüßte Getränke niemals verzichten! Durch die lange Dauer des Wettkampfs, können sie nicht mit einer so hohen Intensität arbeiten, wie ein hochtrainierter Marathonläufer, der immer am Rande der maximalen Sauerstoffaufnahme läuft.

Wenn Du in dem ambivalenten zeitlichen Bereich läufst, musst Du Dich schon allein entscheiden, was Du trinkst. Wenn diese Entscheidung Dir schwer fällt, dann wähle immer das Wasser, denn dieses macht kaum jemals Probleme. Dies gilt auch für die Getränkeversorgung im Rennen. Noch einmal die Empfehlung in der Zusammenfassung:

Strecke Zeit Empfehlenswertes Getränk
Marathon 2:00 - 2:45 Wasser
Marathon 2:45 - 3:15 Wasser oder leicht gesüßte Getränke
Marathon über 3:15 leicht gesüßte Getränke
eventuell stärker gesüßte Getränke
Ultraläufe   leicht gesüßte Getränke
eventuell stärker gesüßte Getränke
Langtriathlon   leicht gesüßte Getränke
eventuell stärker gesüßte Getränke

Wieviel trinken?

Wenn wir jetzt die Frage behandelt haben, was Du trinken solltest, so ist aber die Trinkmenge noch nicht klar. Es hat sich in langen Jahren als ausgezeichnetes Mittel zur Leistungsunterstützung erwiesen, in den letzten 15 - 20 Minuten vor dem Start 1/2 bis 1 Liter der oben beschriebenen Getränke zu sich zu nehmen. Es gilt: Mindestens einen halben Liter vor dem Start bei jeder Temperatur, auch im Winter! Mit steigender Temperatur sollte auch die Trinkmenge steigen! Im "Count Down zur Bestzeit" habe ich 1986 empfohlen, dieses Getränk bis 30 Minuten vorher zu trinken. Aufgrund gemachter Erfahrungen, in Hinsicht Blasendrucks" im Wettkampf, wird diese Empfehlung hier auf den kürzeren Zeitraum modifiziert. Die Läufer(innen) kommen mit dieser, etwas kurzfristigeren Maßnahme weitaus besser zurecht, denn die Nieren haben dann nicht mehr die Zeit das Wasser auszuscheiden. Bei hochtrainierten Läufern haben diese Organe, aufgrund der oben beschriebenen mangelnden Sauerstoffversorgung, nicht mehr die Möglichkeit zu arbeiten.

Glyzerin speichert Wasser

Eine ganz neue Idee hat der amerikanische Leistungsphysiologe Dr. David Martin zur Flüssigkeitsaufnahme vor dem Start. Er schlägt vor in Erwartung eines Hitzemarathons ein Wasser- Glyzeringemisch zu trinken. Es kommt durch diese Maßnahme zu einer Hyperhydration (überwässerung) des Körpers. Das Wasser- Glyzeringemisch wird durch Osmosewirkung in den Zellzwischenräumen in der Muskulatur eingelagert und stellt somit einen Vorrat dar, der später wieder ausgeschwitzt werden kann und den Körper kühlt. Das Glyzerin wird während des Wettkampfs leicht verarbeitet. (Es wird auch auf natürliche Weise ständig im Körper gebildet.) Die Menge des einlagerbaren Wassers nimmt mit steigender Muskelmasse zu. Somit richtet sich die Menge der Trinkmischung nach dem Gewicht des Läufers. Martin schlägt vor pro kg Körpergewicht 1 g Glyzerin und 21 ml Wasser zu trinken. Da die Dichte von Glyzerin 1,26 g/ml beträgt ergeben sich folgende Vorschläge:

Körpergewicht Glyzerin Wasser Trinkmenge
50 kg 40 ml 1070 ml 1010 ml
60 kg 48 ml 1284 ml 1332 ml
70 kg 56 ml 1498 ml 1554 ml
80 kg 63 ml 1712 ml 1775 ml

Vorsicht ist geboten!

In der Rechnung sind einige Rundungsungenauigkeiten, die aber unwesentlich sind. Diese Flüssigkeit sollte eine bis anderthalb Stunden vor dem Start eingenommen werden! Natürlich ist solch eine Menge nur nötig vor Hitzeläufen, sie kann bei kühlerer Witterung ohne Probleme reduziert werden. Leider konnte Martin keine wissenschaftlich fundierte Untersuchung liefern. Er hat nur Versuche mit Läufern gemacht, denen das Getränk in der Regel gut bekommen ist und die sich im Rennen hervorragend gefühlt haben.

Beim Swiss-Alpin und dem Landwasserlauf '92 machten wir wegen der hohen Temperaturen ausgezeichnete Erfahrungen mit dem Glyzerinverfahren. '93 regnete es in Strömen und aus uns strömte es während des Wettkampfs. Wenn Du planst diese Maßnahme im Wettkampf einzusetzen, dann musst Du sie unbedingt vorher im Training ausprobieren. Sinnvoll ist dies natürlich nur bei einem langen Lauf oberhalb von 30 km und den entsprechend hohen Temperaturen.

Der Tag des Rennens

Er ist da, Dein Tag! Du hast lange und hart trainiert. Nun muss er kommen der Erfolg. Deine Gefühle schwanken je nach persönlicher Struktur zwischen froher Erwartung und ängstlichem Zittern. Jetzt kommen die Karten auf den Tisch, doch leider wird nur ein einziges Mal gespielt. Unwiederbringlich ist dieser Wettkampf verloren, wenn Du Deine Karten nicht richtig gemischt hast oder die Reihenfolge Deiner Trümpfe falsch ist. Du kannst im Ziel zittern und weinen, flehen und bitten, aus einem "vergurkten" Rennen kannst Du auch mit den finsteren Künsten der Alchemie keinen erfolgreichen Wettkampf mehr machen. Ein Marathon ist - wie jeder Wettkampf - immer einmalig und nicht wiederholbar. Du kannst zwar aus dem miesesten Resultat mit verbaler Beschönigung noch ein akzeptables Ergebnis machen, aber der Frust, am Ziel vorbei geschossen zu haben, bleibt dennoch.

Beschönigen

Unmittelbar nach dem Fehlschuss beginnt die Reparatur mit Worten, die Du sicher schon oft gehört hast: "Ich hatte meine Zeit voll drauf, wenn es nicht so warm gewesen wäre, hätte ich sie auch geschafft" oder "Bis km 30 war ich total locker und dann habe ich mich am Tee verschluckt, und von da an war es aus". Geniere Dich nicht, wenn Du Dich selbst bei einer solchen Aussage erwischst, jeder braucht diese Kausalität, um überhaupt weiter laufen zu können. Wie schrecklich wäre denn die Wahrheit, der Du eventuell in das bösartig geweitete Auge blicken müßtest: "Du bist nicht leistungsfähig, Du wirst es niemals schaffen!" Dagegen wehren wir uns und wenden das Prinzip Hoffnung an. Nur dieses Prinzip läßt uns weiter trainieren und einen neuen Anlauf wagen. Darum: Gib die Hoffnung nie auf, einmal klappt es!

Die Summe vieler kleiner Fehler

Hoffnung ist nicht alles! Du kannst eine Menge dafür tun, dass Dein Wettkampf ein Erfolg wird. Das wichtigste ist, die vielen kleinen Fehler zu vermeiden, die möglich sind. Leider werden diese meist nicht erkannt, und es wird dafür nach einem großen entscheidenden Fehler gesucht. Wird der nicht gefunden, dann liegt die Schuld bei den Himmelsmächten, oder der Greif Club Plan war es. Darum lies bitte die folgenden Zeilen aufmerksam und verwirkliche sie am Tag des Rennens! Du solltest Dir aber im Klaren sein, dass die Fehlervermeidung Dich nur zu dem normal erreichbaren Ziel führen wird und nicht zu einem "überziel". Ich sehe immer wieder, wie einige Athleten(innen) zu einem fatalen Verhalten neigen. Desto mehr sie sich mit dem Rennen beschäftigen, desto mehr Fehler sie vermeiden, desto größer die Summe aller Aufwendungen in der unmittelbaren Vorbereitungszeit ist, desto größer wird auch der Leistungsanspruch. Die typische Aussage lautet: "Ich habe alles gemacht was möglich war, aber es hat trotzdem nicht geklappt". Vielleicht verstehst Du, was ich damit sagen will: Eine optimale Vorbereitung kann Dir nur helfen, Deine Fähigkeiten optimal einzusetzen, sie kann diese aber nicht vergrößern!

Voller Magen läuft nicht gern

Falls der Marathon am Morgen gestartet wird, dann solltest Du mindestens drei Stunden vorher aufstehen. Die Morgentoilette erledigst Du nach dem Frühstück, denn jetzt ist es nötig, dass Du so schnell wie möglich etwas ißt. Deinen Magen soll dieses Frühstück möglichst zum Zeitpunkt des Startes wieder verlassen haben. Ist der Start aber Nachmittags oder abends, so ist es sinnvoll nach dem Frühstück noch einmal 1 - 2 km locker zu traben. Du wirst Dich später fitter fühlen. Vergiß bei dem Vorwettkampffrühstück alle Gesundheitsregeln! Heute kommt es nicht darauf an gesund zu essen, sondern erfolgreich! Vollkornbrot, Müsli und andere ballastreiche Nahrungsmittel solltest Du nicht zu Dir nehmen. Bewährt hat sich ein einfaches Frühstück mit (Weiß- oder Graubrot) Brötchen, Butter und Marmelade. Dazu solltest Du Tee trinken, bitte keinen Kaffee, dieser wirkt entwässernd und das Wasser brauchst Du dringend im Wettkampf. Falls Du auf das Koffein im Kaffee nicht verzichten willst, so kommst Du besser mit Koffeintabletten (Handelsname Percoffedrinol) zurecht. Die Einnahme von 5 mg/kg gilt nicht als Doping. Zum Vergleich: Eine Tasse Kaffee enthält ca. 100 mg Koffein. Das heißt, wenn Du 70 kg wiegst, dann kannst Du unbesorgt 350 mg Koffein (7 Tabletten) nehmen. Das ist dann soviel wie 3,5 Tassen Kaffee.

Guarana

Sehr gut, weil praktisch ohne Nebenwirkungen hat sich die Einnahme von Guarana, einem stark koffeinhaltigen Naturpräparat, bewährt. Dieses "Urwaldpulver" wirkt anregend und läßt Dich leichter starten. Schneller wirst Du mit Guarana sicher nicht werden, aber Du kannst Deine Leistung leichter erbringen. Folgende Einnahmefolge hat sich für 75 kg schwere Personen bewährt: Einen halben Teelöffel (2g) oder 3 Kapseln 2 Stunden vor einem Marathon. Das gleiche noch einmal 1 Stunde vor dem Wettkampf. Unmittelbar vor dem Start dann einen ganzen Teelöffel Guaranapulver oder 6 Kapseln a 633 mg. (Entsprechend Amazonas Guarana Kapseln, zu beziehen vom Greif Club). Wenn Du leichter bist als 75 kg musst Du entsprechend weniger Guarana zu Dir nehmen. Bitte versuche nicht, mehr als die hier beschrieben Mengen zu schlucken, Du kommst damit in Dopingbereiche. Ich selbst habe in einem Selbstveruch im Training einmal das 1,5fache der hier beschriebenen Menge ausprobiert und bin zu dem Resultat gekommen, dass dadurch absolut kein Vorteil zu erwarten ist. Die maximale anregende Wirkung des Guaranas wird schon voll mit den hier beschriebenen Mengen erreicht.

Nicht alles essen

Nicht essen solltest Du Obst, Gemüse, schwere fettreiche Speisen und was ganz besonders wichtig ist: Alles was Du nicht kennst!! Eine typische Situation: Die Marathoner reisen zum Wettkampf an und übernachten im Hotel. Morgens gibt es ein Frühstücksbüfett, dass sich die Tische biegen. Und dann "hauen" die Läufer(innen) rein, dass es eine Freude ist. Am meisten ziehen dann Speisen, die unbekannt sind. Gewöhnliche Kost ist nicht so interessant, die gibt es ja täglich zu Hause. Die Folge sind Magen- und Darmprobleme in einer unsinnigen Vielzahl. Wenn Du selbst vor solch einem Büfett stehst, dann frage Dich besser vorher, ob Du solange trainiert hast, um hier für einen Papaya-Mango-Salat mit leichter Creme alles zu riskieren. In einigen Büchern wird das Trinken einer Lösung von Maltodextrinen vor dem Start empfohlen. Diese sollen die Glykogenreserven strecken. Ich habe das einmal im Training probiert und muss sagen: Bei keiner, bisher von fremden Autoren empfohlenen Maßnahme haben ich derartige Schwierigkeiten bekommen. Ich dachte ich müßte sterben, ich kann nur warnen vor diesem Zeug. Ich will aber nicht verschweigen, dass ich einen einzigen Läufer kenne, der gut mit dieser Maßnahme zurecht kommt.

Alles verpflastern

Die weitere unmittelbare Vorbereitung beinhaltet als erstes das Verpflastern der Füße. Falls Du zu Blasenbildung neigst, solltest Du jede Stelle an der Du jemals eine Blase gehabt hast, schuppenförmig mit Leukoplast abdecken. Dieses Pflaster hält auf sauberen Füßen 100%ig und verhindert zuverlässig die Bildung von Blasen. Es gibt auch ein amerikanisches Spezialpflaster gegen Blasen, dies ist nicht besser, kostet dafür aber eine Unmenge Geld. Bewährt hat sich auch die Verpflasterung der Füße schon am Vorabend des Rennens, wodurch das Pflaster eine noch bessere Haftung bekommt. Wenn Du männlich bist oder als Frau keinen BH trägst, solltest Du auch die Brustwarzen mit einem kleinem Pflasterflecken abkleben, sie können sonst im Verlauf des Wettkampfs durch Salzkristalle blutig gescheuert werden, was ungemein schmerzt. Das Einschmieren mit Hirschtalg (gibt es in der Apotheke) kann bei stark behaarten Zeitgenossen sinnvoller sein, denn das spätere Abreißen des Pflasters ist auch nicht gerade eine Lust. Weil wir im Moment beim Pflaster sind, so kannst Du Dir gleich ein Stück davon abschneiden und mit Kugelschreiber darauf Deine Zwischenzeiten notieren. Dieses klebst Du Dir im Rennen auf den Handrücken, wovon Du leicht ablesen kannst. Mache auch gleich ein zweites Pflaster zurecht mit einer Minderzeit für schlechte Bedingungen. Hitze, Wind, Regen und Kälte.

Drei Ziele brauchst Du

Spätestens zu diesem Zeitpunkt solltest Du Dir Gedanken über Dein Zweit- und Drittziel machen. Zweit- und Drittziel, was ist das? Ich nenne sie Motivationserhalter. Du gehst immer mit einem Ziel in einen Wettkampf, manchmal mit einem niedrigen und manchmal mit einem sehr hohen Erfolgswunsch. Desto stärker dieser Erfolgswunsch ist, desto größer ist auch Deine Motivation, für diesen Erfolg zu kämpfen. Wenn Dir im Rennen aber klar wird, dass Du den angestrebten Erfolg nicht mehr erreichen kannst, dann schwindet Deine Motivation wie Kuchen bei der Läuferparty. Aus diesem Grund lege Dir zwei weitere Motivationshilfen zu. Das kann dann so aussehen, dass Du Dir z.B. als Erstziel gesetzt hast, unter 3:10 zu kommen, als Zweitziel unter 3:15 und beim Erkennen, dass Du beide Fixpunkte nicht erreichen kannst, nimmst Du als Drittziel dann vielleicht die Aufgabe, Dich nicht von Holger Meier schlagen zu lassen. Es gibt sicher eine Unmenge weiterer Ziele, die Du Dir setzen kannst. Wichtig ist nur, sie vorher zu kennen, sonst bist Du plötzlich im Rennen am "joggen" oder bist gar ausgestiegen, ohne überhaupt richtig zu wissen warum. Ich kann Dir den Grund aber in den meisten Fällen nennen: Deine einzige Zielvorstellung ist zusammengebrochen und eine andere hattest Du nicht!

Sicherheitsnadeln

Die Gedanken über Deine sekundären Ziele kannst Du Dir auch noch machen, wenn Du Deine Sachen für den Wettkampf zusammenpackst. In Deine Sporttasche gehören: Handtuch, Duschgel, Toilettenpapier, trockene Sachen für später, (erprobte) Rennschuhe, Kugelschreiber, Salbe gegen Wundlaufen (Hirschtalg), Sicherheitsnadeln, Trikot, Veranstaltungshinweise (falls schon vorhanden) und alles andere, was Du nach dem Einlauf benötigst. Manche Veranstalter geben sogenannte Kleiderbeutel heraus. Es erleichtert das Wiederfinden Deines Kleiderbeutels ungemein, wenn Du diesen z.B. mit einem bunten Schal verschnürst. Ein T-Shirt oder Handtuch eignet sich bedingt auch für diesen Zweck.

Du solltest mindestens eine Stunde vor dem Wettkampf am Ort sein. Vermeiden solltest Du alles, was Dich nervlich belastet. Eine Autofahrt über 100 km, bei der Du der Fahrer bist, kostet Dich Nerven. Da Marathon insbesondere auch nervliche Leistungsfähigkeit fordert, solltest Du dafür sorgen, dass der Wettkampftag für Dich so streßfrei wie möglich ist. Dazu gehört die geordnete Planung der Anreise und das Wissen über alles, was am Starttag auf Dich zukommen wird. Sammle also Informationen! An Ort und Stelle angekommen, beginnst Du mit der überprüfung der Örtlichkeiten:

  • Wo gibt es die Startunterlagen?
  • Startnummer holen!
  • Lesen der Information des Veranstalters in der
  • Startnummerntüte!
  • Startnummer nur vorn oder auch hinten?
  • Bei Meisterschaften: Gibt es einen Stellplatz oder Stellplatzkarten?
  • Wo ist der Start?
  • Gibt es verschiedene Startblöcke?
  • Wo ist mein Block?
  • Starten alle Blöcke zur gleichen Zeit?
  • Wie sind Verpflegungsstellen verteilt?
  • Welche Getränke gibt es?
  • An welchem Tisch gibt es Wasser?
  • Wie und wo ist der Zieleinlauf, wo beginnen die letzten 400 m?
  • Wo sind die Toiletten?
  • Wie und wo kannst Du Dich Deines Gepäcks entledigen?
  • Wo findest Du Dein Gepäck am Ziel wieder?

Super- und Minderbedingungen

Jeder Wettkampf beginnt nicht erst mit dem Startschuss, sondern schon in den Minuten vor dem Start. Mache Dir klar, dass Du bei einem Marathon erst zu dieser Zeit die Witterungsbedingungen in etwa einschätzen kannst. Um erfolgreich zu sein, musst Du schon in den Tagen vorher eine innere Bereitschaft aufbauen, bei schlechten Bedingungen Deine Zielzeit herunterzuschrauben.

Diese Bereitschaft zu bekommen ist sehr, sehr schwer. Jeder trainiert über lange Wochen und träumt von einer ganz bestimmten Zeit, die er meint laufen zu können. Diese ist in der Regel auch realistisch, aber sie setzt praktisch ohne Ausnahme Idealbedingungen voraus. Herrschen diese Bedingungen nicht vor, so ist es ebenso die Regel, dass dieses Ziel nicht erreicht werden kann. Ich glaube, es ist eine der größten Künste eines Marathoners die herrschenden Bedingungen eines Wettkampfs richtig einzuschätzen und sein Anfangstempo darauf einzustellen. Das Schlimmste ist, dass unsere Natur so geartet ist, dass wir so auf ein bestimmtes Ziel fixiert sein können, dass wir wider besseres Wissen handeln.

Vorsicht bei hohen Temperaturen

Ich habe es schon einige Male erlebt, dass Läufer(innen) einfach nicht wahrhaben wollten, dass es an ihrem Wettkampftag so warm war, dass eine Bestzeit unmöglich zu laufen war. Die hohen Temperaturen wurden ignoriert und der Bestzeitsversuch dennoch gestartet. Fast ohne Ausnahme endeten diese Versuche im Fiasko! Das aufgrund der Hitze zu hohe Anfangstempo zwingt später den Athleten im Rennen zu deutlichen Abstrichen an der Renngeschwindigkeit. Im weiteren Verlauf wird er immer langsamer, die Motivation schwindet und statt einer möglichen Zeit in der Nähe des alten "Hausrekordes", kommt ein Manko von 15 - 20 min heraus. Frust und ärger herrschen vor, es wird auf den Trainingsplan und die Hitze geschimpft, der eigene Fehler wird meist verdrängt.

Was sind Minderbedingungen?

Die Frage ist natürlich, wie ich solche, nennen wir sie mal Minderbedingungen, erkenne. Vielleicht sollten wir erst einmal Idealbedingungen definieren. Für Läufer(innen) unter 3 Stunden Laufzeit sind bei Windstille Temperaturen von 6 - 12 Grad ideal. Für Sportler, die länger als 3 Stunden auf der Piste verweilen, sind unter gleichen Verhältnissen 8 - 15 Grad ideal. Es gilt die Regel: Desto kleiner und desto dünner der oder die Aktive ist, desto höher kann die Temperatur sein. Natürlich spielt auch die Luftfeuchtigkeit eine Rolle, aber bis zu einer Temperatur von 12 Grad gibt es keinen negativen Effekt. Im Gegenteil, feuchte Luft und leichter Regen sind leistungsfördernd. Ist die Luft feucht, bedeutet das weniger Wasserverlust bei der Ausatmung und eine nasse Laufstrecke ist meist schneller als eine trockene. Eine Sache wird aber immer wieder übersehen, wenn es um Temperaturen geht: Die Angaben beziehen sich immer auf den Schatten, gelaufen wird aber meist in der Sonne. Es kann im Frühjahr oder im Herbst im Lichte unseres Hauptgestirns locker 10 Grad wärmer sein als im Schatten. Das bedeutet, dass dann auch bei 12 Grad Außentemperatur keine optimalen Bedingungen herrschen, wenn die Strecke überwiegend sonnige Streckenteile aufweist. Ich kann mich immer wieder über die Ignoranz vieler Läufer(innen) aufregen, die, auch wenn es die Möglichkeit gibt im Schatten zu laufen, in der Sonne rennen und so ihren eigenen Wettkampferfolg in Frage stellen.

Hitze schränkt die Leistung ein

Wie kommt es eigentlich zu der Leistungseinschränkung bei Hitze? Da spielen eigentlich zwei Fakten eine Rolle. Einmal ist es für den Organismus lebenswichtig, dass seine Kerntemperatur 40 Grad nicht übersteigt. Während eines Marathonlaufs muss dieser Organismus harte Arbeit verrichten, ein Nebenprodukt dieser Arbeit ist Wärme. Diese muss über Haut und Atmung abgeführt werden. Die Menge der Wärme, die uns durch Verdunstung in der Lunge verlustig geht, ist sehr begrenzt. Wesentlich mehr kann der Körper durch Verdunsten von Wasser (Schweiß) auf der Haut fortbringen. Um das Wasser auf die Hautoberfläche zu bringen, ist Energie nötig, außerdem muss dazu die Haut durchblutet werden, dieses Blut fehlt in der arbeitenden Muskulatur. Desto wärmer, desto mehr Schweiß wird gebraucht. Das dafür nötige Wasser, ist aber im Organismus nicht in dem nötigen Umfang vorhanden, es muss von außen zugeführt werden, dazu müssen wieder die Verdauungsorgane durchblutet werden, wo das Blut doch eigentlich dort sein sollte, wo die Kraft für den Vortrieb erzeugt wird. Wenn dem Körper nicht mehr genug Wasser zur Verfügung steht - schon 2 % Verlust reichen - dann kommt es zu deutlichen Leistungseinbußen. Schlimmer wird es aber, wenn das vorhandene Wasser nicht mehr ausreicht die Körperkerntemperatur durch Schwitzen unter dem Maximalwert zu halten. Dann dreht der Körper den Leistungshahn gnadenlos zu, denn wenn der Organismus nicht mehr arbeitet, wird auch keine zusätzliche Wärme produziert. Das bedeutet aber auch, dass Du plötzlich auf der Strecke mehr stehst als läufst und nichts geht mehr.

Zu windig

Eine weitere Komponente von Minderbedingungen ist der Wind. Zu ihm haben die Läufer eine ganz besondere Beziehung. Seine Kraft ist unmittelbar spürbar und wird darum reichlich für allerlei Läufermärchen genutzt. Da wird aus einem leichten Blätterrauschen ein starker Wind: "Mann, wenn der Wind nicht gewesen wäre, wäre ich klar unter ..... geblieben" oder "Ich bin jetzt eine 18:32 gelaufen, was meinst Du, was ich geschafft hätte, wenn nicht ein solcher Sturm gewesen wäre?" Unendliche Geschichten von verfehlten Rennen ranken sich um die Winde dieser Welt. Eins ist sicher, starker Wind von vorn behindert den Läufer immer in seiner Leistung, aber aus dem Gefühl heraus wird auch Seitenwind als Zeitenklau angesehen und die positive Wirkung von Rückenwind völlig ignoriert. Bei höheren Temperaturen hingegen ist ein leichter Wind absolut positiv, weil er die Wärme vom Körper weg transportiert und für bessere Schweißverdunstung sorgt. Festzuhalten ist, dass man von Minderbedingungen in Hinsicht auf den Wind nur sprechen kann, wenn dieser 30 km/h überschreitet oder wenn dieser auf einer Einwegstrecke ständig von vorn weht.

Eine Frage stellt sich auch, ab welchem tiefen Bereich die Temperatur als Minderbedingung zu sehen ist. Mir persönlich wäre es lieber bei Windstille und 2 Grad plus zu laufen, als bei 15 Grad. Andere Läufer, die leichter sind, haben mit den tieferen Temperaturen mehr Probleme. Bei Graden in der Nähe des Gefrierpunkts spielt die Windgeschwindigkeit eine wesentlich größere Rolle als innerhalb der höheren Temperaturen, weil der Wärmeverlust durch den Wind sehr schnell zunimmt. Der Organismus muss dann zusätzlich heizen und damit unnötig Energie verbrauchen. Zusätzliche Kleidung verändert die Laufökonomie und beeinträchtigt damit den Wettkampferfolg. Als Fazit für die tieferen Temperaturen bleibt: Es gibt einen Bereich, der wie oben beschrieben für alle paßt. Liegt die Temperatur darunter, muss diese aber nicht unbedingt für jeden Läufer(in) einen Nachteil darstellen.

Als dritte Minderbedingung ist starker Regen zu nennen, dieser hindert aber auch erst, wenn es wirklich Bindfäden regnet oder ein Gewitterschauer herunterkommt. Auch solch ein Schauer kann sogar noch ein Segen sein! Ich erinnere mich an einen Stundenlauf an einem Julinachmittag Anfang der 70er Jahre in Berlin. Die ersten 40 min des Rennens war es unglaublich schwül und wir dachten, wir müßten in der glühenden Sonne sterben. Dann zogen schnell Gewitterwolken auf und es regnete wolkenbruchartig. Es war einfach herrlich! Obwohl ein Teil der Aschenbahn wegschwamm und wir aussahen wie die Schweine nach der Suhle, waren die letzten 5 km für alle die schnellsten.

Oberhalb von 20 Grad

Starke Minderbedingungen fangen eigentlich bei schwüler Luft in der Nähe vom 20 Grad an. Bei dieser Temperatur und einer Luftfeuchtigkeit oberhalb 70%, wird es für den Marathoner unerträglich. Er kann dann unmöglich seine normale Leistung vollbringen. Wesentlich besser kommt er mit einer Temperatur von 25 Grad und 40% Luftfeuchtigkeit zurecht.

Wie begegne ich nun Minderbedingungen? Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es meistens ausreicht, die ersten Kilometer 5 sec/km langsamer als geplant anzugehen. Das macht nur dreieinhalb min auf die Endzeit und bedeutet nicht viel. Es läßt Dir aber jederzeit die Chance, wenn sich die Bedingungen im Rennen ändern, Mut zu fassen, anzugreifen und noch ein tolles Ergebnis zu erzielen. Ich kenne viele Läufer(innen), die mit diesem Verfahren Superergebnisse erzielten und erstmals Gegner schlugen, die sie für unbesiegbar hielten. Da sich nur wenige Marathoner durch Minderbedingungen am hohen Anfangstempo hindern lassen, erhalten diejenigen, die verhalten angehen, unschätzbare Vorteile. Wenn später im Rennen das Feld im "Koma" liegt, hast Du noch die Kraft zum Angriff. Dieses Gefühl verleiht Dir Flügel und Du rennst auf den letzten 15 km alle in Grund und Boden. Und wenn am Horizont vor Dir auch noch Holger Meier auftaucht, dann bekommst Du zu Deinen Flügeln auch noch einen "Nachbrenner" und es wird manchmal doch noch etwas mit der Bestzeit.

Eine zweite Möglichkeit ist, dass Dein vermindertes Anfangstempo immer noch zu hoch ist. Dann kannst Du noch weiter mit der Geschwindigkeit zurückgehen und wirst auch dann, im Verhältnis zu dem Gesamtfeld, ein ausgezeichnetes Ergebnis erreichen. Bist Du aber nicht bereit, diese Minderbedingungen zu akzeptieren, dann wirst Du schon bei 15 km spüren, was "Sache" ist. Du musst schon drücken, um das Tempo zu halten und ab 25 km fängst Du an, Dich in Deine Einzelteile zu zerlegen. Zu dieser Zeit hast Du aber schon mehr als eine halbe Stunde mit Deinem Unterbewußtsein gekämpft, welches immer vor sich hin murmelt: "Wird sowie nichts, Schinderei, Du hast eine Verletzung, lauf langsamer, Dein Magen ist nicht in Ordnung, alles egal, nicht Dein Tag heute". Die Motivation wird Dir geraubt, obwohl Du mit dem Oberbewußtsein mit aller Macht kämpfen willst. Irgendwann gibst Du auf und schaltest auf die Stufe "minderer Ehrgeiz" oder steigst enttäuscht aus. Das alles hättest Du verhindern können, wenn Du die ersten Kilometer 5 sec/km langsamer angegangen wärest.

Welches Tempo kann ich über 42,2 km laufen?

Eine Frage, die viele beschäftigt und doch nur wenige beantworten können. Warum ist die Erkundung des richtigen Marathontempos eigentlich so schwer? Das liegt daran, dass wir uns mit einem Steuerfaktor der Motivation herumschlagen müssen. So musst auch Du Dir vor der Beantwortung die Frage nach Deinen Willensqualitäten stellen. Bist Du bereit, Dich für Deinen Erfolg zu quälen? Kannst Du es ertragen, wenn Dir bei km 39 die Muskeln so elend schmerzen, dass Du denkst: "Wenn jemand solche Schmerzen einem Tier zufügen würde, dann müßte er wegen Tierquälerei bestraft werden". Willst Du fühlen, dass Dich die Schwäche überfällt und Du alles Gut der Welt dafür geben würdest, schon im Ziel zu sein? Läufst Du weiter, wenn die Blase an Deinen Füßen aufplatzt und Du merkst, dass nun so langsam die nächsten Hautschichten zerstört werden und sich der Laufschuh rot färbt? Kannst Du akzeptieren, dass Du nicht mehr klar denken kannst; es Dir nicht gelingt, anhand Deines km-Schnitts die mögliche Endzeit zu ermitteln? Ist Dein Wille stark genug trotz aller Qualen noch einen Spurt hinzulegen, wenn die Zieluhr einen 10 min Sprung signalisiert? Hält Deine Psyche es aus, dass Du vielleicht bei km 30 schon so entkräftet bist, dass Du Dich nicht mehr in der Lage siehst, auch nur noch einen Meter zu laufen und Du aussteigst?

Die Kämpferklasse

Kannst Du alle diese Fragen mit ja beantworten, dann gehörst Du zur Kämpferklasse, die nach dem Motto, der Indianer kennt keinen Schmerz, handelt. Ich möchte dieser Gruppe hier mal den Namen Typ 1 geben. Oder bist Du einer von den Läufern, die schon eine gute Zeit erzielen wollen, aber nicht bereit sind, alles dafür zu geben? Willst Du zwar schnell laufen, aber trotzdem noch das Umfeld genießen? Hast Du meist die Kraft noch auf der Zielgeraden mehr als einen zusammenhängenden Satz mit einem Mitläufer zu wechseln? Bist Du noch in keinem Rennen ausgestiegen? (Erklärung: Wer nie an seine Grenzen geht, hat auch keine Chance, diese zu überschreiten!) Dann gehörst Du zum Typ 2.

Nur durchkommen

Zu Typ 3 hingegen zählst Du, wenn Du eigentlich nur eins im Sinn hast, durchzukommen. Die Zeit ist Dir erst einmal relativ gleichgültig. Niemand ist auf einen Typ festgelegt, es ist möglich, seine Zielsetzung und damit den Läufertyp mehrmals in seinem Läuferleben zu wechseln. Nur klar sollte man sich schon darüber sein, wie hoch denn nun eigentlich die eigene Motivation ist. Nur damit ist es möglich, auch den richtigen Geschwindigkeitsbereich zu finden.

Tempo aus Halbmarathon

Beginnen wir also mit der Findung unseres Tempos: Eine ziemlich sichere Aussage über die mögliche Marathonzeit läßt eine gelaufene Halbmarathonzeit mit folgender Formel zu: Doppelte Halbmarathonzeit + 10 min. Typ 3 sollte + 15 min wählen. Auch die 25 km Zeit kann zum Ermitteln der Marathonrenngeschwindigkeit herangezogen werden: Zu der Durchschnittsgeschwindigkeit über 5 km aus einem in den letzten 6 Wochen vor dem Marathon gerannten 25 km Wettkampf, werden für Typ eins 30 sec , für Typ zwei 45 sec und für Typ drei eine Minute hinzugezogen. Wenn Du dann das Ganze durch 5 teilst, hast Du Deine Marathondurchschnittsgeschwindigkeit/km. Beispiel: 25 km Zeit: 1:40. Das sind für 5 km 20 min + 30 sec (für Typ 1). Ergibt 20:30 für 5 km und 4:06 min/km. Typ 2 sollte bei diesem Beispiel 4:09 und Typ 3 4:12 laufen.

15 km Prüflauf

Was ist zu tun, wenn Du nun keinen Halbmarathon oder ein 25 km Rennen bestritten hast? Du kannst Deine mögliche Renngeschwindigkeit auch aus einem 15 km-Trainingslauf mit späterer Überprüfung mittels eines Stundenlaufs ermitteln. Beide Prüfläufe dürfen nur aus dem Training heraus bestritten werden, d.h. eine wettkampfgemäße Vorbereitung darf nicht erfolgen. Du solltest die 15 km auf einer möglichst ebenen, wenig windanfälligen Strecke ermitteln. Gehe ganz, ganz sicher, dass die Strecke stimmt. Verlasse Dich nicht auf Mannschaftskameraden, die behaupten, dieser Kurs ist soundso lang. Messe besser mit einem geeichten Meßrad nach oder nutze die km-Steine an der Straße. Auch auf der Bahn kannst Du diesen Test absolvieren. Dort solltest Du aber um alles in der Welt keine Runden zählen, denn Du wirst Dich bei 37,5 Runden garantiert verzählen. Starte am Ziel und zähle immer Meter und km. Die geraden km vollendest Du dann immer in Höhe des Zieleinlaufs und die ungeraden am 5 km-Start. Damit ist ein Verzählen fast unmöglich. Laufe die 15 km so schnell Du kannst, aber gleichmäßig. Wenn Du Deine Zeit ermittelt hast, prüfst Du sie eine Woche später zum gleichen Zeitpunkt ab. Laufe dabei exakt 30 min mit dem Tempo des 15 km-Laufs in eine Richtung, wende und laufe so schnell es geht zurück. Konntest Du die Geschwindigkeit der ersten halben Stunde auch in der zweiten halten, dann brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen, Du hast Dein Tempo gefunden. War aber die zweite Hälfte auch nur um eine Minute langsamer als die erste, so solltest Du Dein Renntempo um 5 sec/km abschwächen. Bist Du aber um mehr als 1 min in der 2. Hälfte schneller gewesen, so kannst Du ein um 5 sec/km schnelleres Tempo wählen.

Kurios

Ich selbst fand früher mein Marathonrenntempo auf recht kuriose Weise. Dies konnte ich aber nur, weil wir während der von uns absolvierten 10 km Tempodauerläufe zwischen km 6 und 7 einen einigermaßen ebenen km-Abschnitt durchliefen, den ich regelmäßig kontrollierte. Mit der Zeit stellte ich fest, dass dieser 7 km regelmäßig exakt 5 sec unter meinem später gelaufenen Marathondurchschnittstempo lag. Da ich in meinem Leben fast 60 Marathons gelaufen bin und davon ca. 40 auf diese Weise abprüfte, erreichte ich eine ziemliche Sicherheit in der Aussage. Wobei Ausreißer nicht ausblieben. Bitter war natürlich auch, als ich vom 43. Lebensjahr an feststellen musste, dass ich diesen Trainingskilometer pro Jahr jeweils um ca. 3 sec langsamer lief und sich dies auch deutlich in den erzielten Wettkampfergebnissen ausdrückte. Solch ein Prüfverfahren ist natürlich nur sehr erfahrenen Sportlern zu empfehlen, aber Du kannst ja auch mal Deinen siebten km beim 10 km Tempodauerlauf messen und schauen, ob Du mit 5 sec Zuschlag auf Dein Marathonrenntempo kommst. (Gilt nur für Typ 1!!). Ein Tip noch: Versuche nicht, einen anderen km-Abschnitt zu wählen, das klappt nicht! Akzeptable Ergebnisse zur Erforschung der anzustrebenden Marathonzeit liefert auch folgende von mir aus Erfahrungswerten konstruierte Reihe, die die aktuell mögliche 10000 m Zeit als Grundlage nutzt:

Ausdauerniveau Erwartbare Marathonzeit
Höchstausdauertrainiert 10 km Zeit x 4,5 (Niveau T7, T6 und T8)
Hochausdauertrainiert 10 km Zeit x 4,6 (Niveau T6, T8 und T4)
Sehr gut ausdauertrainiert 10 km Zeit x 4,66 (Niveau T4 und T3)
Gut ausdauertrainiert 10 km Zeit x 4,7 (Niveau T3 und T2M)
Mäßig ausdauertrainiert 10 km Zeit x 4,8 (Niveau T5 und T2)
Ausreichend trainiert 10 km Zeit x 4,9

Beispiel

Eine Läuferin erzielte vor kurzem eine 10 km Zeit von 40:00. Sie trainiert nach T3. Wie schnell kann sie den Marathon laufen? 40 min x 4,7 = 3:08 h. Ist diese Läuferin nun eine der sehr vorsichtigen Athletinnen, dann kann sie auch wählen: 40 min x 4,8 = 3:12. In diesem Sinne kann man sich auch in etwa sein Anfangstempo errechnen. Wenn die Betroffene meint, sie könne den Faktor 4,7 als Endzeit in etwa erfüllen, wird das Anfangstempo immer aus der nächsten Stufe errechnet, hier also aus Faktor 4,8. Das sieht dann so aus: 3:08 sind geplant, Faktor 4,8 ergibt 3:12. Das ca. ideale Tempo für die ersten 15 km wäre dann 4:30 - 33. Es gibt natürlich auch Athleten(innen), die aus ihren Wettkampfergebnissen über die kurzen Strecken fast exakt ihre Möglichkeiten über die langen Strecken ablesen können, aber auch dies ist eine Sache der Erfahrung. So bleiben im Grunde nur die oben beschriebenen Verfahren oder das Körpergefühl. Wer im Rennen ganz genau auf seinen Körper hört, bekommt präzise mitgeteilt, welches Tempo über 42,2 km möglich ist!

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