Vor 2 Wochen haben wir den langen Lauf als wichtiges Trainingselement betrachtet. Er stellt aber nur einen Sonderfall des Dauerlaufes dar. Er ist deutlich länger als die "Standardarbeit" des Läufers. Der Dauerlauf im Grundlagenbereich ist das Training, welches im Wochenpensum jedes Läufers den größten Anteil haben sollte. Es wird mit niedriger bis mittlerer Intensität von maximal 75% (oder auch mal knapp darüber) der maximalen Herzfrequenz immer aerob, das heißt mit für den Stoffwechsel ausreichend vorhandenem Sauerstoff, gelaufen.
Dies ist der wichtigste Trainingsbereich sowohl für Anfänger als auch erfahrene Läufer. In diesem Bereich wird die für alle Läufer wichtige Grundlagenausdauer trainiert. Mit diesen aeroben Läufen wird das Herz-Kreislauf-System angepasst. Durch die Verbesserung der Kapillarisierung wird es in die Lage versetzt, möglichst viel Sauerstoff dahin zu transportieren, wo er bei höheren Belastungen benötigt wird. Das sind natürlich in erster Linie die Muskeln. Es wird also das Transportsystem geschaffen, welches wir benötigen, um bei intensiven Trainingseinheiten oder Wettkämpfen möglichst viel Sauerstoff in den Muskel zu verarbeiten. Ohne diese Kapillarisierung machen hochintelligente Trainingseinheiten kaum Sinn. Es gilt, den ersten Schritt vor dem zweiten zu machen.
Die heutige Welt ist hektisch, alles muss schnell gehen, alles wird optimiert, minimiert, effektiviert. Niemand hat mehr Zeit. Immer wieder wird der Ruf nach effektivem und kurzem Training laut, um schnell mal einen Marathon abzureißen. Na ja, eigentlich nicht. Ein Marathon dauert ja zu lange. Hatte vor 30 Jahren fast jeder Läufer das Ziel mal einen Marathon zu laufen, ist bei den meisten das Ziel inzwischen auf den Halbmarathon verkürzt.
Lauftraining und die Entwicklung als Läufer lässt sich nicht abkürzen. Dazu müsstest du deinen Körper überlisten, was nicht möglich ist. Training ist Anpassung. Muskuläre Anpassung sowie die Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems an immer höhere Belastungen. Diese Anpassung dauert seine Zeit. Diese Zeit ist auch bei jedem Läufer individuell. Ungeduld ist da ein schlechter Ratgeber. Du solltest dich darüber freuen und es genießen, dich möglichst täglich an der frischen Luft betätigen zu dürfen. Wenn du lange Zeit kontinuierlich trainierst, kommt alles andere von allein.
Natürlich kannst du dein Training optimieren, aber nicht abkürzen. Optimieren kannst du z.B.
- die Belastungen (Laufgeschwindigkeit) entsprechend deiner aktuellen Leistungsfähigkeit,
- den Wechsel zwischen intensiven und lockeren Einheiten oder
- die gezielte Regeneration mit allen erforderlichen Maßnahmen (Ernährung, Mikronährstoffe, Schlaf, Massage, regenerativen Einheiten). Der regenerative Dauerlauf ist dabei ein Lauf zur aktiven Erholung nach einer intensiven Tempoeinheiten oder einem langen Lauf. Diesen kannst du so langsam, wie du möchtest.
Aber zurück zum Dauerlauf im Grundlagenbereich. Dieser sollte den größten Teil deines Trainings ausmachen. In der Trainingslehre wird dazu der Begriff GA1 (Grundlagenausdauer 1) verwendet. Der zugrundeliegende Tempobereich ist allerdings recht groß. Aus diesem Grund verwenden wir diesen Begriff in unseren Trainingsplänen nicht. Wir unterteilen diesen Bereich in die 3 folgenden Geschwindigkeitsbereiche:
- extensiver Dauerlauf: Dauerlauf in einem Tempo, welches die meisten Läufer beim Loslaufen einschlagen, wenn ihnen der Sinn nicht nach lockerer Erholung steht. Dein persönliches Tempo kannst du mit diesem Rechner ermitteln.
- mittelintensiver Dauerlauf: ca. 10 sec/km schneller als der extensive Dauerlauf
- intensiver Dauerlauf: ca. 10 sec/km schneller als der mittelintensive DL. Dieser Dauerlauf hat noch nichts mit einem Tempodauerlauf zu tun!
Alle diese Geschwindigkeiten dienen der Entwicklung der aeroben Ausdauer lassen sich grundsätzlich im oben angegebenen Herzfrequenzbereich oder knapp darüber laufen. Wenn nicht, dann fehlt es noch an der beschriebenen Anpassung.
Die körperliche Anpassung stellt sich nur bei kontinuierlicher Wiederholung ein. Daher auch die an dieser Stelle immer wiederholte Empfehlung, die Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche zu erhöhen. Es müssen ja nicht täglich 15-20 km sein. Am Anfang sind auch 5 zusätzliche km sinnvoll, die sich im Laufe der Zeit auf extensive 10 km ausweiten lassen. Trainierst du 7 Tage pro Woche, wirst du max. 2 Tempoeinheiten (auch als mittelintensive oder intensive DL) und einen langen Lauf unterbringen. Der Rest sind Dauerläufe im regenerativen oder extensiven Tempo.
Natürlich brauchst du um schneller zu werden irgendwann auch Tempoeinheiten. Bis zu einem gewissen Level entwickelst du dich aber auch ausschließlich mit Dauerläufen, wenn du die 4 oben angegebenen Tempobereiche komplett ausnutzt. Ohne diese Grundlagenläufe wiederum, kannst du jede noch so ausgeklügelte Tempoeinheit vergessen.
Wie immer ist auch bei den DL Abwechslung angesagt. Möglich sind z.B.:
- DL durch das Gelände (anderer Schritt!) mit Hügeln, Bergen oder wechselnden Untergründen
- im Sommer DL barfuß am Strand oder auf der Wiese
- immer wieder leicht variierendes Tempo
- negativer Split auch bei extensiven DL
- gegen Langeweile kann man unterwegs auch mal 5 Sprints/Steigerungen einbauen
Selbstverständlich bringen diese Läufe auch Kraft und die benötigte muskuläre Anpassung, die für intensive Einheiten und Wettkämpfe erforderlich ist. Aber vor allem geht es um die Entwicklung des Herz-Kreislauf-Systems. Womit auch Alternativ-Sportarten ins Spiel kommen. Natürlich kannst du einige DL auch durch Radfahren, Schwimmen, Aqua-Joggen o.ä. ersetzen oder zusätzlich ergänzen. Öfter bekomme ich eine Mail mit dem Inhalt "ich bin oft geschwommen oder Rad gefahren, gebracht hat es nichts". Nun ja, natürlich beanspruchst du deine Lauf-Muskulatur nicht, aber du entwickelst in jedem Fall dein Herz-Kreislauf-System. Dort kommt es zu einer deutlichen Anpassung.
Das dies in jedem Fall so ist, hat mir mein Ironman-Training 2006 gezeigt. Ich hatte das Glück den Winter 2005/06 über 5 Monate in Südspanien verbringen zu dürfen. In dieser Zeit programmierte ich das Software-System für die Greif-Trainingspläne und hatte gleichzeitig optimale Trainingsbedingungen bei minimal 13 Grad Celsius.
Zwischen November und Februar trainierte ich beim Laufen und Radfahren nur locker. Extensive DL von 16 km und 21 km im Wechsel, Sa. den langen Lauf von 35 km. Sonntag eine lange Radausfahrt zwischen 120 und 150 km. Dazu zwei weitere Radausfahrten pro Woche nachmittags von 50-60 km. Das Training sah im Wochenverlauf so aus:
Mo: früh: 16 km reg.-ext. DL, nachmittag: Schwimmen
Di: früh: 21 km reg.-ext. DL, nachmittag: Radfahren 50-60 km, teilweise MTB
Mi: früh: 16 km reg.-ext. DL, nachmittag: Schwimmen
Di: früh: 21 km reg.-ext. DL, nachmittag: Radfahren 50-60 km, teilweise MTB
Fr: früh: 16 km reg.-ext. DL, nachmittag: Schwimmen
Sa: früh: 35 km extensiver DL
So: früh: 120-150 km Rad (ab März auch bis 180 km, oder mit kurzen Koppelläufen bis 3 km)
Insgesamt waren dies:
- 500-550 km Laufen pro Monat
- 1000 km Rad pro Monat
- 30 km Schwimmen pro Monat
Das waren ca. 25 h Training pro Woche. Absolviert zwischen Ende November 2005 und Ende Juni 2006.
Intensitäten kamen zwischen November und März ausschließlich aus dem Schwimmen. Beim Radfahren nutzte ich das erste Mal in meinem Leben einen Pulsmesser um an Bergen immer unter Puls 130 zu bleiben, und damit eine zu zeitige Hochform zu vermeiden (der Wettkampf war Anfang Juli). Ab März kamen mehr Intensitäten aus dem Radtraining. Dies vor allem in Ausfahrten in den Bergen ohne Pulsmesser und einigen wenigen Tests am Berg. Dafür nutzte ich eine nahezu gleichmäßig ansteigende 7 km Strecke von Meeresniveau bis auf 350 m Höhe. Erst ab Ende April kamen intensive Laufeinheiten hinzu.
Ergebnis? Dieses vor allem extensive Training hat meine aerobe Kapazität so entwickelt, dass ich 2006 von der Ausdauer her gefühlt in der Form meines Lebens war. Leider habe ich damals keine Leistungsdiagnostik absolviert um dies anhand von Zahlen bestätigt zu bekommen. Garmin oder Strava gab es noch nicht. Aber wenn du viele Jahre lang trainiert hast, dann spürst du diese innere Kraft und merkst es in den Wettkämpfen. Natürlich waren die Laufumfänge allein schon ordentlich, aber erst die vielen Stunden auf dem Rad oder im Wasser haben meine aerobe Kapazität auf ein viel höheres Level gehoben.
Ein paar Vorbereitungswettkämpfe brachten folgende Ergebnisse:
- Februar: Lockerer Trainings-Marathon in Sevilla in 2:49 h
- April: 10 km Straßenlauf in 33:35 min (13 Jahre nach meiner Bestzeit über 10 km)
- April: Wochenende mit einer "geprügelten" 200 km RTF im 3er Team am Samstag und einem Halbmarathon am Sonntag in 1:19 h im Spreewald.
Fazit: Schaue nicht nur auf interessante Tempoeinheiten. Vernachlässige die so hochwichtige Grundlagenarbeit des Läufers nicht! Gib dir Zeit, die dein Körper für die Anpassung benötigt. Wenn du die oben beschriebenen Geschwindigkeitsbereiche ausnutzt, lange Läufe im extensiven Tempo und einzelne Tempoeinheiten absolvierst sowie immer für Abwechslung sorgst, dann gibt es keine "leeren km". Dann zählt wirklich jeder Kilometer. Wenn du mehr trainieren möchtest, dann erhöhe die Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche und laufe zusätzlich regenerative oder extensive DL. Wenn du schon jeden Tag läufst, dann laufe 2 mal, indem du früh mit einem kurzen 3-5 km langen Auftaktlauf beginnst. Willst du mehr machen, verkraftest es aber orthopädisch noch nicht, dann absolviere zusätzliche Alternativeinheiten im Grundlagenbereich.